Daddy, do you love me?

■ Die Berlin Play Actors spielen das mittelalterliche Familiendrama »The Lion in Winter«

The Lion in Winter heißt das Stück der englischsprachigen Play Actors. Es arbeitet im Zentrum menschlicher Empfindlichkeiten und versetzt ins englische Mittelalter, worin man sich auf dieser Bühnenburg im Jahre 1138 mit der amerikanischen Schlagfertigkeit des Autors James Goldman allerhand Familiendramatisches an die Köpfe, viele Köpfe, schmeißt, die alle miteinander verwandt sind.

Da gibt es ein königliches Ehepaar: Henry II und seine Frau Elenor von Aquitannien. Sie sind, soweit ihr Wissen reicht, die mächtigsten Herrscher, haben allerdings drei Söhne, die gerne nach Daddys Ableben ihren Hintern auf Thronsamt setzen würden. Auch Elenor ist an ihres Gatten Tod recht interessiert, hat verschiedenste Bürgerkriege gegen ihn angezettelt, als aber die Stunde der wahren Empfindung kommt — Henry hat seine drei Sprößlinge Richard, Geoffrey und John im Burgverlies eingesperrt, Elenor bringt ihnen Frühstück in Form von drei Messern zur Erstechung ihres Vaters —, steht sie wieder auf der Seite ihres haßbrünstigen Mannes: »You gave them life, now take it!« Er bringt es aber nicht übers Herz, und das Schlachtfest bleibt ein Weihnachtsfest.

Vor den Bäuchen der Schauspieler bummeln vergoldete Bastuntersetzer, es rascheln die Tannengirlanden, im Hoftheater werden all die stimmungsvollen Adventslieder eingespielt. Aber es ist ein gar hartherziges Weihnachtsmärchen, denn die Machtgier der Familienmitglieder führt letztendlich zu Haß und zu schmerzhaft-komplexen Rückblicken auf vermasselte Lebenswege. Und die psychischen Fehlkonstruktionen zeigen sich in phallusbetonten Kostümen. Die Männer tragen deutlich in Filz modulierte Apparaturen auf ihren vorderen Unterleibern. Der älteste der drei Söhne ist Krieger »I feel less«, Geoffrey, der zweite Sohn, ist Diplomat und Intrigant — »In jeder Familie gibt es solche«, meint der Vater über diese ziemlich unsympathische Ausgeburt —, und John schließlich ist ein angstvoller Weinerling, der mit seinen erbärmlichen Schniefern ungeheuren Applaus erntet.

Ganz heimlich und versteckt wünschen sich diese Söhne die Anerkennung ihrer Eltern — »Das Recht auf Liebe« könnte das Stück auch heißen. Und auch Elenor treibt selbst noch ihren königlichen Mann kotzend aus dem Raum, wie sie ihm erzählt, daß sie es mit dessen Vater getrieben hat, seine Narben geküßt, wo sie überall seine Arme gefühlt hat. Überall schlägt der Neid auf die Väter, auf die Eltern durch und der Schmerz über die vorenthaltene Anerkennung.

Schauspielerisch laufen die emotionalen Ermittlungen rasant, doppelbödig und durchweg ironisch über die Bühne, Josephine Larsen als Elenor hält fast schon in ihrem Gesicht alle familiären Fäden in der Hand, Jan-Rainer Uebersetzig als Henry brüllt so stierhaft daher, daß nur Lachen den Schreck auslösen kann, und das tut es dann auch wirklich. Sophia Ferdinand

The Lion in Winter von James Goldman in englischer Sprache im Hoftheater, Muskauerstr. 43, Berlin 36, Mi-So jeweils 20 Uhr.