„Verhängnisvolle Art der Diskussion“

■ Christine Weisske, Ost-Vertreterin im Bundesvorstand der Grünen, über die Fusion beider Parteien INTERVIEW

taz: Nach der Wahlniederlage der West-Grünen hat die von zwei neuen Abgeordneten aufgeworfene Debatte über ein Aussetzen der grün- grünen Fusion für Verwirrung gesorgt. Ist die Vereinigung nun in Frage gestellt?

Christine Weisske: Die Fusion ist in der Nacht vom 2. Zum 3. Dezember um null Uhr vollzogen worden. Das basiert auf zwei Parteitagsvoten und daran hat sich durch das Abschneiden bei der Bundestagswahl nichts geändert. Ich halte diese Art der Diskussion für ziemlich verhängnisvoll. Wir gehen mit den Grünen nicht unter dem Gesichtspunkt zusammen, wieviele Mandatsträger sie im Bundestag haben, sondern für ein gesamtdeutsches grünes Projekt.

Was bedeutet die Fusion konkret? Ist sie nur ein formaler Akt?

Nein. Im Bundesfinanzrat arbeiten beispielsweise die Mitglieder der Landesfinanzräten bereits mit vollem Stimmrecht. Wir sind seit dem ersten Tag der Fusion im Bundesvorstand aktiv. Für das kommende Wochenende sind alle Landesverbände eingeladen, ihre Vorstände und die Delegierten für den Bundeshauptausschuß nach Bonn zu schicken. Auch die ganze Diskussion um das Wahlergebnis und die gemeinsame politische Zukunft wird inhaltlich geführt.

Der sächsische Landesverband der Ost-Grünen war nicht bereit, schon jetzt zu fusionnieren.

Das war eine Entscheidung, die sich keineswegs gegen die Grünen richtete. In Sachsen gab es eine gute Zusammenarbeit mit den Bürgerbewegungen, vor allem dem Neuen Forum. Es ging darum, ihnen Zeit zu lassen, sich zu überlegen, ob sie gemeinsam einen grünen Landesverband gründen wollen. Wenn man die Autonomie der Landesverbände ernst nimmt, muß man das akzeptieren, selbst wenn man es für politisch fragwürdig hält. Man kann mit den BürgerInnenbewegungen auch zusammengehen, wenn man eine grüne Partei ist. Der Landesvorstand Sachsen wird aber am konmmenden Wochenende auch in Bonn sein.

Antje Vollmer hat in einem Interview gesagt, die Grünen hätten nur eine Chance, wenn sie sich als ökologische Bürgerrechtspartei verstehen. Unterstützen Sie als jemand, die aus den Bürgerbewegungen stammt, diesen Ansatz?

Man kann über eine solche Bürgerrechtspartei nur diskutieren, wenn man sich darüber im klaren ist, wie man die Prioritäten und die Inhalte setzt. Was ich bisher darüber gehört habe, wie sich Leute wie Antje diese Bürgerrechtspartei vorstellen oder auch Konrad Weiß, der seit Moanten öffentlich klarmacht, daß er sich eine grüne Bürgerrechtspartei, die sehr viel wertkonservativer ist als unsere heutigen Grünen, vorstellt, dann muß ich sagen, daß ich von diesem Projekt nichts halte. Ich sehe die große Gefahr, daß eine solche ökologische Partei dann irgendwo zwischen den ökologisch positionierten SPD-, FDP- und ÖDP-Leuten rumrutscht und politisch nichts erreichen wird. Ich bin eher eine Befürworterin eines breiten alternativ- grünen Spektrums unter Einbeziehung aller von links bis wertkonservativ, auch wenn das schwer auszuhalten ist. Ich halte nichts davon, eine grüne Partei zu schaffen, die nur eines dieser Spektren beinhaltet. Interview: Beate Seel