Kohls Kopf bei Bertelsmann

Kanzlerberater Teltschik wechselt zum Medienmulti PORTRAIT  ■ Von Ferdos Forudastan

Bonn (taz) — „Kohl lenkt, Teltschik denkt.“ So hieß es in Bonn stets über das Gespann Bundeskanzler und dessen außenpolitischen Berater, der ihn nun verläßt, um die Geschäfte des Medien-Multis Bertelsmann zu führen. Und weil Helmut Kohl als eigenmächtig gilt, sagt dieser Spruch viel.

Ministerialdirektor, Leiter der Abteilung für auswärtige und innerdeutsche Beziehungen, Entwicklungspolitik, äußere Sicherheit im Kanzleramt — was Horst Teltschik formal so verortete, erfaßte kaum, welch wichtige Rolle er für den Bonner Regierungschef spielte. Teltschik war einer der ganz wenigen, denen Kohl wirklich zuhörte, deren Rat er oft befolgte. Als einzigen aus alten Tagen hatte Kohl ihn nicht abgestoßen. „Kohls Kissinger“, wie ausländische Zeitungen Horst Teltschik nannten, war freilich nicht nur bekannt, sondern auch berüchtigt. Zum Beispiel deswegen: Leidenschaftlich befürwortete er lange das heftig umstrittene US-Forschungsprogramm SDI. Hohe Wogen schlug, daß Teltschik im vorigen Jahr für Kohls Reise nach Polen eine Wallfahrt des Kanzlers zum Annaberg plante — und erst spät absagte. Wenige Stunden, bevor der Bonner Regierungschef im vergangenen Februar nach Moskau flog, versuchte Teltschik Druck auf die Sowjets auszuüben: „Es kann sich abzeichnen, daß die DDR in wenigen Tagen völlig zahlungsunfähig ist.“ Daß er dafür gescholten wurde, schien Teltschik nicht zu stören. Schon zwei Wochen später legte er nach: In Bonn liege der Schlüssel zur deutschen Wiedervereingung, und Gorbatschows Außenminister Schewardnadse werde sich „noch wundern“, wie schnell sie komme.

„Pannen“ hat die Öffentlichkeit solche Aktionen Teltschiks stets geschimpft — zu Unrecht. Zum Beispiel die geplante Reise auf den Annaberg: Daß der Gedanke daran Teltschik nicht schreckte, rührt aus des Politikers Verhältnis zur geschichtlichen Moral. Wie Helmut Kohl ließ sich Horst Teltschik von ihr bewußt nur leiten, wenn dies politisches Wirken kaum einschränkte. Daß sie künftig ein enger Kanzler- Vertrauter führt, hat die Bertelsmann-Stiftung nicht zuletzt Hans-Dietrich Genscher zu verdanken. Schon lange ärgerte der Außenminister sich über Teltschiks eigenmächtige Missionen. Daß er außenpolitisch noch weiter aufsteigen würde, hätte Genscher wahrscheinlich verhindert. Ganz anders wird Teltschiks zukünftiges Wirken freilich nicht sein: Schon lange beriet er auch einen Medienmulti: Bertelsmann.