»Vielleicht ein Engelchen«

■ Band-Aid-Veteran Bob Geldof über Hunger, Heeling und Heiligkeit

taz: Dein Manager hat gesagt, du weigerst dich, was gegen die Hungersnot in Rußland zu tun, heißt das, du willst deinem Image als großer Helfer entkommen?

Bob Geldof: Ich weigere mich nicht, aber ich denke nicht, daß es nötig ist, weil alle was tun. Es ist sehr gut, daß die Deutschen Pakete schicken, aber das Problem bleibt, daß ein hungriges Land ein gefährliches Land ist. Rußland ist kurz vor dem Kollaps, und Nahrungsmittel allein helfen da nicht. Es braucht viel radikalere Eingriffe, politische Veränderungen, trotzdem finde ich es sehr gut, daß die Deutschen den Russen helfen.

War es schwer, nach den Band- Aid-Aktionen wieder als Musiker auf Tour zu gehen?

Nein, das war einfach. Vielleicht war es für manche Leute schwer zu akzeptieren, aber ich bin Musiker von Beruf und nicht ein professioneller guter Mensch oder Polit-Äffchen. Seit 15 Jahren mache ich Platten. Es war ja nie das Ziel, mit Band- Aid eine Institution zu gründen. Ich wollte gerade zeigen, daß man auch ohne Institutionen was erreicht, mit politischen Lobbies und breiter Übereinstimmung. Alles lief über die Musik, weil es eben das ist, wovon ich was verstehe. Ich verstehe auch was von Politik, aber das tut hier nichts zur Sache. Mit elf Jahren habe ich die Politik kapiert. Mit elf waren zwei Dinge für mich interessant: Politik und Musik. Ich habe mir in Ost-Berlin einen Button gekauft, »Kunst ist Waffe«, in totalitären Zusammenhängen ist das furchtbar — aber du kannst Popmusik dazu benutzen, das Augenmerk auf ein Problem zu lenken, und die Leute müssen dann aktiv werden. Also, mir macht es nichts aus, wenn Leute mich jetzt für ein Engelchen halten, vielleicht bin ich das ja, oder wenn Leute sagen, es ist wichtiger, daß man wirklich etwas für Hungernde tut. Sie haben recht, es ist wirklich viel relevanter als Musik, aber ich persönlich brauche sie trotzdem, weil es das einzige ist, was mich erfüllt und befriedigt.

Was hast du persönlich von den Band-Aid-Aktionen gelernt?

Nichts.

Hat es dich irgendwie verändert?

Nein. So Staatsoberhäupter zu treffen, na ja... Als ich vierzehn war, habe ich in Dublin die Campaign for Nuclear Disarmement gegründet, aber nach einem Jahr hat es mich schon gelangweilt, und ich habe gemerkt, daß Protest-Politik nichts verändert. Man muß pragmatisch sein. Wahrscheinlich habe ich hauptsächlich die Buttons gemocht und die existentialistische Vorstellung vom Atomtod. Aber darüber, wie die Welt funktioniert, habe ich durch Band-Aid nichts Neues direkt gelernt. Die Tatsache, daß du in Afrika, Washington, Paris oder London Staatsoberhäupter triffst, verändert dich nicht, diese Leute verhalten sich genauso, wie du es von ihnen erwartest, sie erfüllen das Klischee ganz genau. Trotzdem können sie ganz nett sein. So hat z.B. Mitterand gute Witze erzählt. Reagan war ungeheuer charmant, also geradewegs bezaubernd. Thatcher argumentativ, und das war in Ordnung, sie hat nicht zu mir heruntergeredet, war nicht arrogant. Und ich habe von ihr gekriegt, was ich wollte. Ein Mensch hat einen andern Menschen getroffen, so war es. Interview: Sophia Ferdinand