KOMMENTAR
: Intellektuelle und Rot-Grün

■ Es gilt das gesprochene Wort...

In der Rede Walter Mompers, die auf dem Landesparteitag der SPD verteilt wurde, stand: »Die Linke der Stadt, die das Bündnis so euphorisch begrüßt hatte, unternahm so gut wie nichts mehr, um diesen Senat auch in seiner alltäglichen Arbeit zu stützen.« In der gehaltenen Rede korrigierte Momper diesen Satz an einer aufschlußreichen Stelle. »Die intellektuelle Linke der Stadt«, sagte er, habe den Senat nicht mehr unterstützt, sondern nur »draufgesattelt«. Intellektuellenschelte also. Der Zuhörer mag sich gefragt haben, wer gemeint ist: Die taz? Die »Perspektive Berlin«, die lieber die Auseinandersetzung mit der Bürgerrechtsbewegung der DDR suchte? Wenn der Chef einer Volkspartei den Grund für eine Wahlniederlage bei Intellektuellen sucht, dann hat das die triste Komik eines Ehepaars im Platzregen, das sich darüber streitet, warum der Schirm vergessen wurde.

Wenn die intellektuelle Linke der Stadt derart ans Portepee gefaßt wird, sind Rückfragen gestattet. Ja, dieser Senat wurde begrüßt, einfach weil er das Optimum von Möglichkeit in der trüben Berliner Provinzpolitik darstellte. Aber warum hatte der Senat sowenig intellektuelle Anziehungskraft? Warum hat er nicht versucht, die Dauerthemen des Koalitionsstreites zur Debatte in der Stadt zu machen? Ganz zu schweigen von der großen Auseinandersetzung, die die Einigung einer völlig gespaltenen, einander entfremdeten Stadt verlangt. Die Momper-Schwierzina-Oper und forsches Verwaltungshandeln der Westler im Osten schlossen, milde gesagt, so etwas wie intellektuelle Unterstützung logisch aus. Die besteht ja gerade in der Kritik. Aber Momper hat sich sehr früh schon im Küchenkabinett abgeschottet, war selbst für die Kritik alter Freunde nicht mehr erreichbar. Wo konnte denn eine kritische Unterstützung greifen, in einer Koalition, in der die AL Rückzugsgefechte ihrer beschädigten Identität darstellte und die SPD auf Kosten der AL Entscheidungsfreudigkeit demonstrierte?

Die intellektuelle Kraft dieser Stadt engagiert sich gerade an der Idee der Metropole, am Stadtbild der Zukunft. Sie hat vielleicht nicht die Vision, aber Ideen. Richtig an Mompers Klage ist, daß es ohne eine intellektuelle Herausforderung, ohne einen hohen politischen Anspruch an den Stadtbewohner keine linke Mehrheit diesseits der Mitte geben kann. Berliner Provinzlern müssen jetzt die Ansprüche und unwiderruflichen Probleme einer Hauptstadt und Weltmetropole eingeflößt werden. In solchen Zeiten hat der Intellektuelle manchmal einen besseren Instinkt als der bewährte Machtpolitiker. Walter Momper sollte nicht zu lange an seiner Intellektuellenschelte kauen, sonst gerät er in den Verdacht, selbst nur ein aufgeregter Provinzpolitiker zu sein. Klaus Hartung