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Hessens Grüne zeigen Fundis rote Karte

Landesmitgliederversammlung fordert Parteiaustritte  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Hüttenberg (taz) — Die hessischen Grünen haben gestern auf ihrem Landesparteitag im mittelhessischen Hüttenberg den Fundamentalisten im eigenen Landesverband die rote Karte gezeigt: Führende Fundamentalisten sollen ihr Parteibuch abgeben. Mit fast 90 Prozent der Stimmen der anwesenden rund 500 Parteimitglieder wurde ein Antrag des Landtagsabgeordeneten Fritz Hertle verabschiedet, in dem Jutta Ditfurth, Manfred Zieran und Manon Tuckfeld aufgefordert werden, die Partei zu verlassen. Die Radikalökologen kündigten an, sich nicht das Maul verbieten lassen zu wollen.

Zuvor hatte Hertle in seiner von Beifall unterbrochenen Antragsbegründung den Radikalökologen vorgeworfen, mit wiederholten „parteischädigenden Äußerungen“ dem Ansehen der Grünen vor und nach der Bundestagswahl schweren Schaden zugefügt zu haben. Hertle: „Wer vor der Bundestagswahl ankündigt, die PDS wählen zu wollen, der zerstört das grüne Projekt. Und wer in Hessen suggeriert, daß man die Grünen hier nicht mehr wählen könne, weil das ein Signal für den realpolitischen Weg sei, der zerstört das Projekt erneut.“

Endgültig auf die Palme gebracht hatte die Parteibasis ein Artikel in der 'Zeitung am Sonntag‘ ('FAZ‘), in dem Jutta Ditfurth die in Hessen mehrheitlich beschlossene Option auf Bildung einer rot-grünen Landesregierung nach den Hessenwahlen im Januar als „Pleitemodell“ bezeichnete. Ditfurth plädierte für eine „radikalökologische und soziale Opposition auf der Straße und im Parlament“ — „am besten mit den Grünen, notfalls gegen sie“. „Tango mortale“ nannte das am Sonntag Fritz Hertle. Und die Fundamentalisten ließen die letzte Chance einer öffentlichen Korrektur ihrer Aussagen, zu der ihnen der Antrag Hertles Gelegenheit gab, ungenutzt verstreichen. Zwar räumte Manfred Zieran vor dem Auditorium ein, mit dem Aufruf zur Wahl der PDS einen Fehler gemacht zu haben, doch schon im Gegenzug warf er der Parteibasis vor, sie sei von den Realos „verhetzt“ worden. Und im übrigen habe ihn die Sorge um die Partei zu dieser PDS-Äußerung getrieben. Zieran: „Das war ein Protest gegen die hessischen Verhältnisse.“

Die Partei war danach nicht mehr länger bereit, den Radikalökologen die „Plattform für den Kampf gegen uns selbst“ zu bieten, wie Rupert von Plottnitz (MdL) anmerkte. Wer mit den Argumenten der Wallmänner vor Rot-Grün warne, der habe in dieser grünen Partei nichts mehr zu suchen. Das sahen auch 450 von 500 anwesenden Mitgliedern der Partei so: Der Saal war voll von roten Stimmkarten — eine „Demonstration der Geschlossenheit vor einer der wichtigsten Landtagswahlen in der Geschichte der Grünen“ (Hertle). In einer persönlichen Erklärung kündigte Zieran anschließend für die Radikalökologen an, daß man sich auch von der Parteibasis keinen Maulkorb werde anlegen lassen. Und freiwillig würden die „Linken in den Grünen“ den „ausgrenzungswilligen Realpolitikern“ das Feld nicht überlassen.

Joschka Fischer forderte danach die Partei auf, geschlossen und mit aller Kraft den Hessenwahlkampf zu führen. Es gehe — angesichts der Lage der Partei — nicht mehr um den Sieg eines Flügels, sondern um das Überleben der Grünen als Partei. Hessen müsse Gegengewicht zur schwarz-gelben Republik werden, und die Grünen dritte Kraft im Land bleiben.

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