VONYONG-KYUNBAE

EINFILM-TIP  ■  »WARUM BODHI-DHARMA IN DEN
ORIENT AUFBRACH?«

Die Geschichte: Ein alter Zen-Meister lebt in seiner Einsiedelei in den Bergen. Bei ihm sind ein jüngerer Mönch und ein kleiner Junge, den er als Waisenkind fand und bei sich behielt. Die Personen befinden sich nicht im Mittelpunkt des Geschehens, sondern sind gleichwertig in die sie umgebende Natur miteinbezogen. Daraus ergibt sich eine gewisse Distanz zum Zuschauer, mit der mit unserem europäischen Filmverständnis erst einmal nicht leicht umzugehen ist. Die kleine Gesellschaft verkörpert die drei Lebensalter des Menschen.

Das Kind tötet einen Vogel, und fortan bindet sich der Partner des getöteten Vogels an das Kind, bleibt in seiner Nähe und scheint entweder Unheil zu verkünden oder auszulösen. Wie in der Schlüsselszene, als der Vogel den Junge erschreckt, der ins Wasser fällt und beinahe ertrinkt, bis er sich der tragenden Kraft des Wassers anvertraut.

Den jüngeren Mönch plagen schmerzhafte Zweifel darüber, daß er egoistisch den Frieden seiner Seele sucht und deshalb eine Familie unversorgt zurückläßt. Der alte Meister bereitet sich aufs Sterben vor, und es wird ein langer Abschied ohne Schrecken, der in einer großartigen Feuerbestattung endet. Nichts bleibt vom Meister als ein wenig Asche, die der jüngere Mönch in den Wind bläst.

Ein süd-koreanischer Tarkowskij? Auf jeden Fall ein Film wie ein Wunder in unserer so verdorrten Filmlandschaft, und die eigenartige Berührung mit der so ganz anderen buddhistischen Vorstellung von der Welt.

Es ist erstaunlich, daß die kleine Story ausreicht, um einen Film über zwei Stunden zu tragen, und der trotz seiner dramatischen Höhepunkte eine tiefe Ruhe atmet. Tarkowskij-geübten Zuschauern wird es nicht schwerfallen, unser europäisches, lineares Denken, unseren unstillbaren Durst nach Logik hinter sich zu lassen und ohne alle Interpretationsgeilheit nur zu schauen. Wenn man die intellektuelle Zwangshaltung ablegen kann, begreift unser Unbewußtes, worum es geht. Als Betrachter sollte man sich in die Bilder hineinfallen lassen, auch wenn ihre Bedeutung oft außerhalb ihrer Begrifflichkeit zu liegen scheint. Ihre Schönheit ist so beeindruckend, daß es eigentlich nicht schwerfallen kann.

Der Regisseur ist gleichzeitig Maler, und alle Bilder sind vollkommen durchkomponiert. Er zeigt die Harmonie, die durch Wasser entsteht, wenn es Felsen auswäscht, zeigt das Licht, das uns erleuchten kann, soll oder vielleicht sogar wird. Er zeigt den Wind im Laub der Bäume, im weiß durchfluteten und wehenden Wollgras im Gegenlicht, und die Schönheit eines Kindes, das beginnt, die Welt zu begreifen.

Regisseur Yong-Kyun Bae sagt, daß diese Schönheit von ihm nicht beabsichtigt war, sondern daß sie vielmehr für die Realität der Natur stehe, für die des Geistes und für das ganze Universum. Immerhin, es handelt sich auch um eine andere Schönheit als beispielsweise in »Jenseits von Afrika« oder anderen Monumentalfilmen, in denen die Landschaft eine wesentliche Rolle spielt.

Ein Debutfilm und ein Meisterwerk. Acht Jahre hat Yong-Kyun Bae daran gearbeitet. Eine Steigerung dieser künstlerischen Leistung schient nicht mehr denkbar. Es ist ein großes Fest für die Augen, für die Ohren, die Musik geht die Einheit mit den Bildern ein und hat kein bißchen Kitaro-Zuckerguß, obwohl sie auch über viele Sequenzen hin durchaus meditativ ist. Und es mag ein Fest für die ahnende Seele sein. RiSa

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