Populismus als kleineres Übel

■ Walesas Wahlsieg in Polen KOMMENTAR

Zweierlei Schlüsse muß man wohl aus dem polnischen Präsidentschaftswahlkampf und Walesas Wahlsieg ziehen: Es ist offenbar nicht mehr möglich in Polen, ohne Populismus und ein Mindestmaß an Demagogie politischen Erfolg zu haben. Zudem war es ein Irrtum zu glauben, das Ausbleiben dieser Erscheinungen in den Parlaments- und Kommunalwahlen bedeute, daß ganz Polen so tolerant, weltoffen und liberal wie seine politische Elite ist. Der Wahlerfolg Tyminskis, aber auch der Sieg Walesas dürften da besonders die Intellektuellen um Mazowiecki eines Besseren belehrt haben.

Es ist im Laufe dieses Wahlkampfs deutlich geworden, daß es neben jenem offenen, liberalen, europäischen Polen, für das Tadeusz Mazowiecki und seine Regierung stand, noch ein zweites, komplexbeladenes, verunsichertes und intolerantes Polen gibt, das Polen der Tyminski-, aber auch zum Teil der Walesa-Wähler.

Dieses zweite Polen, das bisher abseits stand, hat sich nun zu Wort gemeldet. Es ist ein politischer Faktor, der repräsentiert sein will. Gerade wegen seiner populistischen Neigungen und seiner leichtfertigen Sprüche ist aber Walesa besser geeignet als etwa Mazowiecki, zu verhindern, daß sich dieses zweite Polen dauerhaft vom demokratischen Reformprozeß abwendet. Walesa kann seiner Regierung so den Rücken freihalten für die Fortsetzung der bisherigen, ganz offensichtlich unpopulären, aber notwendigen Politik. Daß er dies will, hat er bereits erkennen lassen. Zum anderen aber können Mazowiecki und seine „Demokratische Union“ in der Opposition dafür sorgen, daß Polen künftig eine Alternative zur herrschenden Mannschaft hat. Nur dann ist einigermaßen Gewähr dafür geboten, daß die Wähler aus Mangel an anderen Möglichkeiten nicht wieder zu einem Tyminski Zuflucht nehmen.

Klaus Bachmann