Fiat-Konzern wartet, bis ihm Polens Autoindustrie in den Schoß fällt

■ Der Auto-Riese setzt alles auf eine Karte — die Widerstände gegen eine Übernahme nehmen umso schneller ab, je schlechter die wirtschaftliche Lage ist

Um die Zukunft des Automobilherstellers FSO ist ein stiller Kleinkrieg im Gange — so jedenfalls sieht es Dorota Morawiecki, Pressesprecherin des Warschauer Unternehmens. Polens größter Autoproduzent, der vor allem den 1,6-Zylinder-Mittelklassewagen Polonez herstellt, hat zur Zeit 24.000 Beschäftigte und stellt jährlich etwa 100.000 Wagen her. Technisch befindet sich FSO auf dem Stand von 1975: Sowohl die Herstellungsmethoden als auch das Marketing und der Maschinenpark sind veraltet und im Vergleich mit westlichen Herstellern nicht konkurrenzfähig. Daher ist der Staatsbetrieb bereits seit geraumer Zeit auf der Suche nach ausländischen Investoren.

Aussichtsreichster Partner für eine Kooperation ist der italienische Fiat-Konzern, dessen Vertreter im November während eines Geheimtreffens mit der FSO-Direktion und dem polnischen Industrieministerium verhandelt haben. Die Italiener wollen allerdings nicht nur FSO, sondern auch einen Teil von dessen Lieferanten und die Kleinwagenfabrik FSM in Bielsko-Biala mehrheitlich übernehmen. Bei FSO gibt es dagegen Widerstände, da nicht klar sei, was Fiat in Zeran bei Warschau tatsächlich produzieren will.

FSO an den Rand des Konkurses

Fiat will FSM in Bielsko Biala und FSO in Zeran zu einer Produktionseinheit zusammenlegen. So sollen in Polen langfristig 600.000 Fahrzeuge produziert werden. Fiat würde die Herstellung mit staatlich garantierten Krediten vorfinanzieren und die Lizenzen einbringen, Polen würde den Kredit mit Hilfe von Exportwagen, die wiederum von den Italienern vermarktet würden, abzahlen. 1988 scheiterte dieses Konzept, weil es für den Kleinwagen, der auf einer Modernisierung des Topolino beruht, in Westeuropa keine Nachfrage gibt. FSO-Insidern zufolge will Fiat jedoch nun einen Großteil der Exportproduktion in der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Ländern vermarkten.

Mit FSO ließe sich Fiat allerdings auf einen äußerst unsicheren Partner ein: Seit 1988 wechselte dort dreimal der Direktor, zuletzt aufgrund des Drucks des Selbstverwaltungsrats. Vor einigen Wochen brachte eine Entscheidung der Antimonopolbehörde, die Preise drastisch zu senken, den Betrieb nach Aussage seines Direktors an den Rand des Konkurses. Industrieminister Syryjczyk hat sich inzwischen der Ansicht angeschlossen, daß eine eigene komplette Automobilproduktion in Zeran nicht rentabel sei und man sich dort daher auf die Montage westlicher Modelle beschränken sollte. Dies brächte allerdings eine beträchtliche Reduzierung der Arbeitsplätze mit sich und wäre auch politisch schwer zu vertreten.

Polnische Regierung baut Hemmnisse ab

Die Regierung hat daher zunächst den Einfuhrzoll für westliche PKWs von bisher 14 auf 10 Prozent abgesenkt und Ersatzteile ganz vom Zoll befreit — ein deutliches Zeichen an Fiat, dem damit bei Zustandekommen eines entsprechenden Kooperationsvertrags der zollfreie Import jener Teile gesichert werde, die dann in Zeran bzw. Bielsko-Biala montiert würden. „Wir würden gerne den Tipo oder den Uno bauen“, meint Dorota Morawiecki, „aber Fiat hat sich dazu noch nicht geäußert.“ Mit Sicherheit wird Fiat dies auch erst frühestens Anfang nächsten Jahres tun: Solange wird es dauern, bis die Novelle zum polnischen Joint-venture-Gesetz verabschiedet ist. Hinzu kommt, daß die Widerstände in der Fabrik umso leichter zu überwinden sind, je schlechter die wirtschaftliche Lage des polnischen Autokonzerns ist. Einiges spricht dafür, daß diese Lage sich ganz im Sinne der Italiener entwickeln wird.

Schon jetzt haben die von der Antimonopolbehörde verfügte Preissenkung und die Zollermäßigungen zu einem härteren Wettbewerb in Polen geführt. Hinzu kommen gezielte Indiskretionen staatlicher Stellen. So zitierten einige polnische Zeitungen vor kurzem aus einem noch unveröffentlichten Prüfungsbericht des Obersten Rechnungshofs, der auf Antrag der Solidarność-Betriebsorganisation bei FSO eine Betriebsprüfung vorgenommen hatte. FSO, so hieß es, halte in zahlreichen GmbHs hohe Kapitalanteile, ohne jedoch entsprechende Dividenden zu erhalten. Zweck der Gesellschaften sei vor allem, leitenden Angestellten der Automobilfabrik zusätzliche Einkünfte zu Lasten der Firma zu verschaffen.

Kein Kontrahent weit und breit

Tatsächlich hält der derzeit amtierende Direktor von FSO auch privat einen Anteil an einer „Chemot- GmbH“, doch hat diese bisher laut Rechnungshof noch keinerlei Dividenden ausbezahlt. Daß indessen andere Gesellschaften, an denen FSO beteiligt ist, keine Gewinne machen, liegt nicht unbedingt an der Zeraner Fabrik: An einer der größten Gesellschaften, der Polmot-GmbH, die im Rahmen der Privatisierung von einer staatlichen Außenhandelszentrale in eine GmbH der Zulieferer verwandelt wurde, hält das Finanzministerium 51 Prozent und hatte gegen die Stimmen von FSO auf der letzten Hauptversammlung eine Erhöhung der Reserven anstelle einer Gewinnauszahlung durchgesetzt. Anderen Gesellschaften, so betont man bei FSO, sei man weniger wegen der Gewinnaussicht beigetreten, sondern um die Vermarktung des Polonez im Ausland zu erleichtern — so etwa im Fall eines Joint-ventures mit Finnland.

Die Absichten des Turiner Konzerns werden insofern erleichtert, als FSM gerade in eine Aktiengesellschaft verwandelt wird, deren Anteile anschließend verkauft werden sollen. Allerdings weisen verschiedene Kommentatoren darauf hin, daß eine Quasi-Monopolposition für Fiat in Polen den marktwirtschaftlichen Prinzipien zuwiderlaufen würde. Ein Kontrahent allerdings ist nicht in Sicht. Klaus Bachmann, Warschau