Placido und der Schlafbär

■ Tennis mit Musik beim Grand Slam Cup in München PRESS-SCHLAG

Eigentlich hätte Placido Domingo, dem pekuniären Anlaß entsprechend, ja eine Arie aus dem Kaufmann von Venedig, aus der Dreigroschenoper oder wenigstens ein Liedchen aus dem Bettelstudenten trällern sollen. Aber der mexikanische Heldentenor beließ es bei drei Gassenhauern aus dem Repertoire Mario Lanzas: Because you're mine, Jealousy Tango und Be my Love. „Honi soit qui mal y pense“, wie der Hosenbandler gern sagt.

Die Lautsprecheranlage, dem gewaltigen Organ nicht ganz gewachsen, knarrte jedenfalls empört, als der vom norwegischen Trällertrio A-ha zurückgelassene Spiralnebel immer noch einen kleinen Hauch von Bitterfeld in der gerade mal halbgefüllten Münchner Olympiahalle verbreitete. Das Publikum zeigte sich dennoch begeistert und ertrug gefaßt auch noch die eigens für den Grand Slam Cup komponierte Hymne Creation, ein schwülstiges, aus zahlreichen populären Melodien der Welt zusammengeklautes Klanggewaber.

Sie tun schon einiges, die Hintermänner des Grand Slam Cup, um ihr dubioses Schauspiel zum Sportereignis des Jahres hochzujubeln, und zumindest bei den anwesenden Spielern haben die Bemühungen bislang Früchte getragen. Allerdings scheinen sie sehr bescheidene Menschen zu sein. Der Cup habe „das Potential, eines der größten Turniere der Welt zu werden“, schmeichelte beispielsweise Michael Chang: „Wo hat schon jeder Spieler seine eigene Umkleidekabine?“ A-ha! Drum also. Ivan Lendl wird wahrscheinlich seine 100-Quadratmeter-Suite im Hilton in die Diskussion werfen, Jonas Svensson den Chauffeur, der den Akteuren „24 Stunden am Tag“ zur Verfügung steht, und Henri Leconte den eigens kreierten „Grand Slam Cup Cocktail“ an der Hotelbar.

Und dann wäre da noch das Geld, aber darüber spricht man nicht so gern. „Wenn du die finanzielle Seite im Kopf hast, beeinträchtigt das dein Spiel“, verriet Kevin Curren. Dabei hätte gerade er Grund dazu gehabt. 257.542 Dollar Preisgeld hatte er 1990 bislang verdient. Ein einziger Sieg über Goran Ivanisevic hätte ihm jetzt glatte 300.000 Dollar zusätzlich aufs Konto gehievt. Doch er verlor 6:7, 6:7 und mußte sich mit schlappen 100.000 begnügen. Armer Kevin!

Über Motivationsschwierigkeiten hatte bereits vor dem Turnier der Weltranglistenerste Stefan Edberg geklagt. Der hat in diesem Jahr schon fast zwei Millionen eingespielt, genug für einen netten Urlaub. So wußte er nach der Niederlage gegen Chang nicht recht, ob er sich ärgern oder lieber jubilieren sollte. Auf dem Platz hatte er sich noch eindeutig geärgert.

Dabei begann der Schwede ganz gut, schlug ordentlich auf und plazierte seine Volleys gewohnt akkurat. Doch auf der anderen Seite stand nicht irgendwer, sondern der gottesfürchtige Michael Chang, der seine Passierschläge mit der Gemütsruhe eines hinterindischen Schlafbären setzte. Dieser friedvolle Seelenzustand hielt den schmächtigen Kalifornier aber keineswegs davon ab, das Antrittsvermögen einer auf eine heiße Herdplatte geratenen Kakerlake an den Tag zu legen und den Bällen so hurtig nachzuhetzen, als wolle er sich gleich wieder einen Wadenkrampf einhandeln.

Alles, was nicht optimal gespielt war, erlief Chang. Edberg begann Fehler zu machen und in vollkommen ungewohnter Manier zu grummeln, den Schläger auf den Boden zu schlagen und einmal sogar zornig zu brüllen, was in der Relation der Temperamente etwa einem John McEnroe entspricht, der den Schiedsrichterstuhl samt Inhalt ins Publikum schleudert.

Auch Chang tobte ab und zu verhalten, und ein unbefangener Betrachter hätte kaum angenommen, daß hier die beiden größten Schlafmützen des Tenniszirkus auf dem Platz standen. Am Schluß gelang Edberg überhaupt nichts mehr, und er verlor das Match mit 4:6, 6:4, 5:7. Honi soit qui mal y pense. Schmach über den, der Arges dabei denkt. Matti Lieske

Pete Sampras — Andrej Tscherkassow 5:7, 6:2, 7:5; Henri Leconte — Thomas Muster 6:3, 6:4.