Hardthöhe belastet 'Spiegel‘-Schröder

Berlin (taz/dpa) — Die nächste Hausmitteilung des 'Spiegel‘ dürfte ausgesprochen spannend werden: Während das Hamburger Nachrichtenmagazin noch im Spionagenebel stochert, haben jetzt Offiziere des Bundesverteidigungsministeriums den leitenden 'Spiegel‘-Redakteur Diethelm Schröder belastet. Gegenüber 'dpa‘ urteilten sie: „Wir müssen im Fall Schröder von schwerem militärischem Verrat ausgehen.“

Namentlich nicht genannte „Bonner Sicherheitskreise“ erklärten gegenüber der Nachrichtenagentur, Schröder habe „erwiesenermaßen“ für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet. Die Hinweise von mehreren Überläufern seien „glaubwürdig und stichhaltig“. Sie hatten behauptet, Schröder habe mindestens von 1964 bis 1987 Einzelheiten der Bundeswehrplanung und der Rüstungsprojekte an die DDR weitergegeben. Gegenüber 'dpa‘ äußerten Geheimdienstexperten, Schröder sei wie Kanzlerspion Guillaume „vom Osten systematisch aufgebaut worden“. Über das mögliche Ausmaß der neuen Affäre „mehr als betroffen“ zeigten sich die zuständigen Abteilungen auf der Hardthöhe. Der Beschuldigte fühlt sich als Opfer einer „Intrige oder einer Verwechslung“. Das teilte sein Anwalt mit. Der Hallenser Zeitung 'Neue Presse/Express‘ zufolge soll der 'Spiegel‘ vom Verfassungsschutz (VS) mehrfach vor Schröder gewarnt worden sein. Erst unter VS- Leiter Heribert Hellenbroich (1982 bis 1983) habe das Amt keine Vorbehalte mehr geäußert. Unterdessen rätseln nicht nur 'Spiegel‘-Rechercheure — „die Zahl derjenigen im Hause, die von Schröders Unschuld überzeugt sind, schwindet“, ist aus Hamburg zu erfahren. Auch die Bonner JournalistInnen grübeln über den „netten, fairen und hilfsbereiten“ Kollegen. Kaum einer in dem intimen Medieninternat kann sich vorstellen, daß „Diethelm“ als „Topspion eingeschleust“ wurde und seinen Freund „Manni“ Wörner „verraten“ haben soll. „Man gerät ja schnell in so was rein“, heißt es. Tatsächlich? Wieder so ein Opfer der Stasi? „Möge eine schnelle Aufklärung erfolgen“, schrieb Schröders Anwalt. Das sollte auch gelten für jene „rund fünfzig Journalisten“, die laut 'dpa‘ und Geheimdienstlern „unter den Verdacht geraten sind, mit dem MfS zusammengearbeitet zu haben“, ganz zu schweigen von Zuträgern des VS und BND.

Die Bundesregierung und die gegen Schröder ermittelnde Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bestreiten die Existenz einer solchen MfS-Informanten-Liste. Der Süddeutsche Rundfunk befragte dazu Bonner JournalistInnen, ob sie befürchteten, in Kürze enttarnt zu werden. Eine hübsche Idee, aber noch ist nicht bekannt, ob der Sender einen Treffer landete. peb