Polizeidateien illegal vernichtet

■ Auch nach der Vereinigung werden die Daten der Ostberliner Volkspolizei weiter illegal vernichtet

Berlin (taz) — Eine routinemäßige kleine Anfrage der Alternativen Liste an den Berliner Innensenator Erich Pätzold brachte es ans Licht: Die Polizei vernichtet munter alte Dateien der übernommenen Ostberliner Volkspolizei, die nach dem geltenden Datenschutzrecht illegal erhoben wurden und für die es keine legale und keine sinnvolle Verwendung gibt.

Was Innensenator Erich Pätzold (SPD) bei seiner Antwort an die Oppositionspartei offenbar nicht wußte: Seine Behörde darf die Daten gar nicht löschen. Denn nach dem neuen Berliner Datenschutzgesetz, das seit November gilt, muß die Polizei die Betroffenen vor jeder Datenvernichtung anhören.

Insgesamt wurden über die Hauptstädter der DDR vierzig Karteien geführt. Seit der Übernahme der Berliner Volkspolizei am 1. Oktober sind bereits acht Dateien vernichtet worden. Über welche Personen diese Daten einmal erhoben worden waren, läßt sich im Nachhinein vermutlich nie wieder aufklären. Unter den Dateien, die zur Benachteiligung der Betroffenen geführt haben könnten, befinden sich eine Namensliste „besonders aktiver Täter“ (BAT-Datei); eine Liste verdächtiger Kindesentführer; eine Liste all jener, deren Personalien im Laufe von Ermittlungen in Mordfällen überprüft wurden und eine Liste aller Homosexueller, deren Personalien ebenfalls in Mordfällen geprüft wurden.

Daß die „Aktion Reißwolf“ illegal ist, stellte Berlins Datenschutzbeauftragter erst auf Grund der taz-Recherche fest.

Zuvor hieß es dort noch, daß die „größere Gefahr darin liegt, wenn alle Daten aufbewahrt werden“. Außerdem sei die Benachrichtigung der Betroffenen auf Grund der Menge der Daten problematisch.

Der Datenschutzbeauftragte wird jetzt aber Berlins Polizei schriftlich mitteilen, daß die Vernichtung der Volkpolizeidateien gestoppt werden müsse. Die Bürger können beim Polizeipräsidium über vorhandene Datensammlungen Auskunft verlangen. Das Auskunftsbegehren kostet allerdings zehn Mark — auch wenn dann gar keine Daten vorhanden sind.

Derzeit wartet der Reißwolf nur noch auf wesentlich unwichtigere (illegale) Dateien, wie zum Beispiel auf eine Liste der Blutgruppen von Tatverdächtigen oder eine Datei mit den jährlichen Bereitschaftsschichten der Fernmeldetechnik. Alle übrigen werden datenschutzrechtlich ausgemistet und in die westlichen Polizeicomputer übernommen.

Dazu gehören „DORA“, eine Datei aller Tatverdächtigen und Flüchtigen; „BEDAK“, eine Fingerabdruckskartei; eine Namensliste aller Personen, die polizeilich in Erscheinung getreten waren; eine Täterlichtbildkartei und eine Ohrenabdruckspurensammlung, die „für künftige Ermittlungen“ aufbewahrt werden sollen. Dirk Wildt