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De Maizière tritt von allen Ämtern ab

Nach verdichteten Hinweisen auf Stasi-Mitarbeit wirft der CDU-Vize das Handtuch/ Innenminister Schäuble kann Identität de Maizières mit Stasi-Mann „Czerny“ nicht ausschließen  ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski

Der Bundesminister und stellvertretende CDU-Vorsitzende Lothar de Maizière tritt als Konsequenz aus den Vorwürfen seiner Stasi-Mitarbeit von seinen Ämtern zurück. Auch für ein Regierungsamt in der noch zu bildenden Bundesregierung stehe er nicht zur Verfügung, erklärte de Maizière in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Innenminister Schäuble in Bonn.

De Maizière will seinen Schritt nicht als Schuldbekenntnis verstanden wissen. Zuvor hatte Innenminister Schäuble über Verdachtsmomente berichtet, die in einer „ungewöhnlich aufwendigen“ Untersuchung, bei der sämtliche Akten der für die Bespitzelung der evangelischen Kirche zuständigen Stasi-Abteilung XX/4 einbezogen wurden, über den informellen Mitarbeiter mit dem Decknamen „Czerny“ aufgefunden wurden. Dabei habe es einzelne, „wenige“ Hinweise auf eine Identität de Maizières mit Czerny gegeben, wobei diese aber nicht die Qualität von Beweisen hätten. Fest stehe laut Schäuble lediglich, daß es seit 1981 bei der Stasi einen informellen Mitarbeiter namens Czerny gab, der auf die evangelische Kirche angesetzt war. Manches spreche auch dafür, daß der Informant Mitglied der Synode war, sagte Schäuble. Eine Personenidentität mit dem Synodenmitglied de Maizière lasse sich im Zusammenhang der Akten „aus Ableitungen folgern“.

Ein Original der Stasi-Karteikarte mit dem Decknamen Czerny und der Adresse de Maizières sei nicht gefunden worden, allerdings gebe es Zeugenaussagen, de Maizière sei Czerny gewesen. Die Überprüfung der Akten habe keinerlei Anhaltspunkte geliefert, was mündlich oder schriftlich von Czerny berichtet wurde. Schäuble wollte mit Hinweis auf einen anderen Fall die Möglichkeit nicht ausschließen, daß Czerny ohne sein Wissen als Mitarbeiter von der Stasi geführt wurde. Dem entsprechen Hinweise aus dem Regierungslager, de Maizière sei sich möglicherweise über die Reichweite seiner anwaltlichen Gespräche nicht im klaren gewesen. Schäuble bestätigte, daß bereits seit Anfang des Jahres Hinweise auf die Identität Czerny/de Maizière auch bei bundesdeutschen Nachrichtendiensten vorgelegen hätten. Dies seien allerdings nur „Gerüchte“ gewesen, „mit denen nichts anzufangen war“.

Bundeskanzler Kohl sprach de Maizière seinen Respekt aus. Dieser habe sein volles Vertrauen gewonnen, erklärte Kohl. Auf der Sitzung des Bundesvorstands der CDU in Bonn am gestrigen Vormittag muß es wohl anders geklungen haben. Beobachter berichteten, de Maizière sei leichenblaß und unter Inanspruchnahme eines ihm gereichten Arms aus dem Sitzungssaal gekommen.

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