Bonn deckt Beamten der „neuen Rechten“

Ministerin Wilms verharmlost Auftritt des Präsidenten des Gesamtdeutschen Instituts, Kühn, vor Rechtsextremen  ■ Von Joachim Weidemann

Bonn (taz) — Die Bundesregierung deckt die rechtsnationalen Eskapaden eines hohen Bonner Beamten: des FDP-Manns Detlef Kühn, 54, Präsident des Gesamtdeutschen Instituts, einer Bundesanstalt, die bisher der innerdeutschen Bundesministerin Dorothee Wilms (CDU) nachgeordnet war und vor dem Fall der Mauer gesamtdeutsche Ziele verfolgte. Kühn war Anfang November als Redner auf dem Bundestreffen der rechtsextremen „Initiative Deutschland 90“ in Koblenz aufgetreten (die taz berichtete).

Kühns Dienstherrin Wilms jedoch sieht darin nun keinen Anlaß für ein „dienstrechtliches Einschreiten“. Ministerin Wilms spielte gegenüber der SPD-Vizevorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Herta Däubler-Gmelin sowie dem SPD- Abgeordneten Jürgen Egert den Vorfall herunter. Kühn habe „erklärtermaßen nicht als Vertreter des Bundes und auch nicht in seiner Eigenschaft als Präsident des mit nachgeordneten Gesamtdeutschen Insituts gesprochen“. Außerdem, verteidigt Ministerin Wilms ihren Beamten, sei nach der Rede „kontrovers diskutiert“ worden. Bei genauer Betrachtung indes erscheint Kühns Auftritt in Koblenz keineswegs als „Privatsache“. Denn:

— die drei den Kongreß veranstaltenden rechten Zeitungen warben in ihrem Prospekt ausdrücklich mit Kühns Rang und Namen;

— einer der Kongreßinitiatoren, der frühere NPD-Bundestagskandidat Siegfried Bublies von der Rechtsgazette 'Wir selbst‘, versuchte, mit Kühns Position Tagungslokale zu ergattern — offenbar ohne daß Kühn einschritt;

— auf Kühns Koblenzer Redemanuskript, das unter Rechtsextremen umgeht, prangen ebenfalls Name und Position des hohen Bonner Beamten im Titel: „Präsident des Gesamtdeutschen Instituts — Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben“;

— Kühn pflegt, wie er selbst bestätigte, enge publizistische Beziehungen zum Bublies-Blatt 'Wir selbst‘. Sein Koblenzer Engagement kann also nicht als Einzelfall gesehen werden;

— Kühn gilt in rechtsextremen Kreisen als Mittelsmann zu demokratischen Politikerkreisen. So verriet der Chef des ebenfalls rechten Blattes 'Europa‘, Harald Thomas: „Der Kühn ist ein Nationalliberaler. Man muß ja auch seine Zugpferde haben, um sich Reputation zu verschaffen.“

Diese „Reputation“ kann Kühn den Rechten nun in einer neuen Schlüsselposition „verschaffen“: Der FDP-Mann ließ sich beurlauben — ohne sein Amt aufgeben zu müssen —, und hat den Posten des Verwaltungsdirektors von Radio Sachsen in Leipzig übernommen. „Vorerst für ein halbes Jahr“, sagt einer seiner Bonner Mitarbeiter, „aber vielleicht bleibt er für immer.“ Kühns Spitzenposition in Sachsen kommt den Rechtsnationalen wie gerufen: Sie nämlich flicken derzeit an einem „Spinnennetz“ (Thomas), wollen ihre Splittergruppen vernetzen und neue Seilschaften in den Massenmedien knüpfen.

Kühn paßt dieser „neuen Rechten“ gut ins Konzept. Zwar löst sein Lippenbekenntnis zur polnischen Westgrenze bei Rechtsextremisten Unmut aus. Doch seine Sticheleien gegen Polen kommen an. So erklärte Kühn in Koblenz: „Auch der Abschluß von völkerrechtlich wirksamen Grenzanerkennungsverträgen ändert nichts daran, daß wir das historische Deutschlandbild nicht aus den Augen verlieren dürfen.“ Das „Reich“ habe doch „auf die deutschen Siedlungsgebiete weit im Osten ausgestrahlt“. Kühn klittert weiter: „Wenn wir auf einer Vermittlung der Geschichte aller deutschen Stämme bestehen und damit [...] die vielen Polen ans Herz gewachsene Legende von den ,wiedergewonnen polnischen Westgebieten' zerstören, dann dienen wir damit der historischen Wahrheit.“

Außerdem setzt Kühn auf den europäischen Binnenmarkt anno 93: „In einem vereinten Europa, das diesen Namen verdient, wird sich auch Polen nicht gegenüber den deutschen Nachbarn abschotten können.“ Für Kühn heißt das: Deutsche müßten das Recht bekommen, sich in Polen als Deutsche anzusiedeln. Kühns ewiggestriger Standpunkt: „Auch in einem ,Europa der Vaterländer' bleiben die Oder-Neiße-Gebiete die historische Heimat von vielen Millionen von Deutschen.“

Inzwischen liegen dem Bonner Petitionssausschuß Beschwerden gegen Kühn vor. Ausschußvorsitzender Gero Pfennig will zunächst die Stellungnahme des Innerdeutschen Ministeriums einholen und dann eventuell über „weitere Ermittlungen“ entscheiden. Das Verfahren, so Pfennig im Brief an einen Petenten, werde aber „geraume Zeit in Anspruch nehmen“. Die CDU-Bundestagsfraktion indes sieht keinen Anlaß, Beamte wie Kühn zu stoppen. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Johannes Gerster, ließ in einem Brief knapp wissen, die CDU werde „eine Initiative“ wegen Kühns Auftreten „nicht in Erwägung ziehen“. Gerster will öffentliche Auftritte von Bundesbeamten sowieso nicht maßregeln: „Ein solches Verhalten brächte die Gefahr mit sich, gegen elementare Verfassungsprinzipien zu verstoßen.“