Universal Congress Of and Copernicus

Copernicus (Foto: Bea Wölfing)

Universal Congress Of und Copernicus

Manchmal, sehr selten allerdings, kann ein aufmerksamer und unvoreingenommener Beobachter inmitten des aluten, gut geschmierten und überdrehten Kulturmaschineriebetriebes noch jemanden entdecken, mit dem er dort eigentlich nicht rechnete: einen richtigen Künstler. Der gebeugte Herr auf dem Foto ist einer. Und wie jedermann sieht, trägt er schwer an seinem Wissen um den Zustand der Welt und der ungeheuren Verantwortung, dieses Wissen publik zumachen.

Wenn Copernicus zu Beginn des Konzertes den Stab über die Zuschauer bricht und in eine wahrscheinlich noch aus Jericho stammende Posaune stößt, dann ist der Vergleich zwischen ihm und einem alttestamentarischen Propheten gar nicht weit hergeholt. Wenn man sich auf seine Augen und Ohren verläßt ... Aber: The senses are liars, sagt Copernicus. Da wir — egal, wer wir sind — sowieso nur aus subatomaren Partikeln bestehen, die ihre Konstellation ständig verändern, wer sagt uns da, daß wir überhaupt existieren? You don't exist, therefore you can never die.

Klingt gut, oder? Ich kann jedem nach geistiger Erleuchtung Suchenden nur empfehlen, sich in die Botschaften Copernicus' zu vertiefen, denn im Gegensatz zu den oben erwähnten Propheten und anderen Missionaren verlangt er von all den Verirrten Seelen dieser Welt (und das sind wir alle) nur eins: Be free! Free to be!

Jesus Christ was the last christian. Gut möglich, doch Copernicus ist selbstloser. Mit seinen Platten verlor er nach eigenen Angaben schon ein Vermögen. Wer von Euch noch ein Herz im Leibe — immerhin ist Weihnachten — und Geschmack hat, der kaufe eine. Oder geht heute abend sofort ins Ecstasy. Holger Jancke

Die nächste Band steht unter Strom. Läßt mit jedem Ton ein wenig Dampf aus dem Kessel. Einer schaufelt ständig Kohlen nach, so daß der Druck niemals nachläßt. Man öffnet die Ventile —zisch, krach, boing geht die Reise direktemang der Hölle entgegen. Der Name von dem Zeug? Mecolodics, Alleinvertrieb und Herstellung: Universal Congress Of. Neustes Plattenprodukt: The Sad And Tragic Demise Of Big Fine Hot Salty Black Wind. Label: Enemy Records, Heimstatt von Projekten wie Last Exit. Frühere Plattenfirma von Universal Congress Of: SST.

»Der Congress« — Lieblingskind Diedrich Diederichsens, der die Platten des Universal Congress Of gern mit einem Wort bespricht: Groß. Und der Mann hat, wie so oft, recht. Universal Congress Of ist alles in einer Person: Jazzkappelle mit Bläsersatz, Hardcore-Truppe, Ornette Coleman und Albert Ayler, Slickaphonics, James Blood Ulmer und das Schlagzeugtreiben Ronald Shannon Shacksons. Ornette Colemans Harmolodics werden transformiert bei 10.000 Volt — das sind gut und gerne zweieinhalbtausend Grad Celsius oder 78 kg — eingeschmolzen und als glühender Rohstoff wie im Stahlwerk zischend in Formen gegossen. Heraus kommt der Werkstoff Mecolodics, was, laut Namensgeber und Chefgitarristen des Congress', Joe Baiza, eigentlich gar nichts bedeutet, bis auf daß es ihre Version von Harmolodics ist, »denn Meco, die Abkürzung für Mexikaner, ist Baizas Spitzname« (Bandkollege Gorodetzky im Spex-Gespräch).

Wenn es Bands gibt, die den Jazz retten können, sind es Unternehmen wie der Congress. Sollte JazzFest-Leiter George Gruntz zufällig in der Stadt seines Brötchengebers weilen (was unwahrscheinlich sein dürfte), wäre es für ihn ratsam sich heute Abend die dunkle Sonnenbrille aufzusetzen und sich unauffällig ins Ecstacy zu schleichen — auf Talentsuche für sein angestaubtes Festival. Kurz und gut: Wer dieses Konzert ohne triftigen Grund verpaßt, ist ein toter Mann.

Im günstigen Dreierpack heute außerdem zu bestaunen, die ebenfalls guten Alternatives und der komplett verrückte Copernicus. Andreas Becker

Universal Congress Of und Copernicus spielen zusammen mit den Alternatives ab 21 Uhr im Ecstasy.