Crash-Kurs für Gesellschaftskunde

■ Brandenburgische Bildungsministerin empfiehlt „Stabü“-LehrerInnen Besinnungspause

Berlin (taz) — LehrerInnen, die vor der Wende in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik „Stabü“ (Staatsbürgerkunde) unterrichtet haben, sollen zumindest für die nächste Zeit ihre Finger von der Gesellschaftskunde lassen.

Diese „Empfehlung“ gibt die brandenburgische Bildungsministerin Marianne Birthler. Schließlich seien die meisten Staatsbürgerkunde- LehrerInnen für ein zweites Fach ausgebildet, auf das sie ausweichen könnten, „wenn sonst nichts gegen sie vorliegt“, sagte Marianne Birthler in einem Gespräch mit der taz.

Zwar wolle sie nicht alle diffamieren, „aber Staatsbürgerkunde hatte eben ein starkes Element von Indoktrination, und da ist es angeraten, auf dieser Strecke der gesellschaftspolitischen Bildung sehr enthaltsam zu sein“. Sie gestehe aber einer großen Zahl von StaatsbürgerkundlerInnen zu, „daß sie ihre eigene Vergangenheit stark reflektieren und jetzt zu einer völlig anderen Haltung kommen“, so die Bildungsministerin.

Nach einer gewissen Besinnungspause könne daher von Fall zu Fall geprüft werden, ob solchermaßen Gewendete in das Fach Gesellschaftskunde einsteigen dürfen. „Es ist ein neues Fach, für das ein Lehrer eigentlich jahrelang neu ausgebildet werden muß. Aber wir müssen es halt schneller machen.“ Sehr schnell ging es zum Beispiel in der Oberschule „3. Oktober“ in Waldsieversdorf (Brandenburg). Dort unterrichtet mittlerweile der ehemalige Staatsbürgerkunde-Lehrer Mathematik und der Lehrer für Technisches Zeichnen und ESP (Einführung in die sozialistische Produktion) Gesellschaftskunde. Die Befähigung dazu hat er gerade auf einem einwöchigen Schulungskurs in Bonn erworben.

Wie sagte doch Marianne Birthler: „Ich lasse auch keinen Biologielehrer Chemie unterrichten.“

Ulrike Helwerth