Asylsuchende auf der Straße

Unglaubliche Verhältnisse im Flüchtlingslager in Sachsen-Anhalt/ Keine Heizung, kaum Essen, keine ärztliche Betreuung/ Aus Halberstadt geflüchtete Ghanaer in Hessen wieder abgewiesen  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Rund einhundert Flüchtlinge vor allem aus dem schwarzafrikanischen Ghana, die als Asylbewerber am vergangenen Dienstag von der Unterkunft für ausländische Flüchtlinge im hessischen Schwalbach nach Halberstadt in Sachsen-Anhalt gebracht wurden, sind am Mittwoch wieder nach Hessen zurückgekehrt. Die Afrikaner haben Halberstadt fluchtartig den Rücken gekehrt, weil es dort — auf einem Truppenübungsgelände der aufgelösten NVA — keine Heizung, keinen Strom, keine ärztliche Versorgung und keine ausreichende Nahrungsmittelversorgung gegeben habe. Mit der Bahn seien die Flüchtlinge nach Hessen zurückgekehrt, berichtete der Sprecher des hessischen Sozialministers, Uwe Berlinghoff, auf Nachfrage. „Ich möchte wissen, wo die das Geld dafür her hatten“.

Doch in Schwalbach, so Peter Bühl, der als Wachmann in der hessichen Gemeinschaftsunterkunft arbeitet, seien die entkräfteten Flüchtlinge — „unter ihnen schwangere Frauen und kleine Kinder“ — mit der ganzen Brutalität einer an der „Kapazitätsgrenze“ arbeitenden Lagerleitung konfrontiert worden.

Unterkunftsleiter Möser habe die Tore nach Rücksprache mit dem Sozialministerium schließen lassen und die Flüchtlinge aufgefordert, unverzüglich wieder nach Halberstadt zurückzukehren. Stundenlang hätten die Afrikaner vor dem Tor in der Kälte gestanden. Weder wurden heiß Getränke an die frierenden Menschen verteilt, noch sei Essen ausgegeben worden — und die Toiletten hätten nur Einzelpersonen in Begleitung eines Wachmanns aufsuchen dürfen.

Die Nacht zum Donnerstag verbrachten die Asylbewerber zum Teil in Privatwohnungen, die ein Pfarrer des Diakonischen Werks vermittelt hatte, zum Teil auf dem Frankfurter Hauptbahnhof in der Bahnhofsmission. Rund zehn Afrikaner seien auch die Nacht über vor dem Tor geblieben. „Die haben sich da ein Feuer gemacht.“ (Bühl)

Von den einhundert Flüchtlingen warteten gestern noch rund achtzig Personen auf Einlaß in die Gemeinschaftsunterkunft, von denen dreißig am späten Nachmittag resignierten. Sie bestiegen einen bereitgestellten Bus mit dem Fahrziel Halberstadt. Und nur für diese Menschen, so Wachmann Bühl, sei dann Essen ausgeteilt worden.

Nach Aussage von Bühl habe einer der in Schwalbach eingesetzten Polizeibeamten dann von „südafrikanischen Verhältnissen“ geträumt: „Zwanzig Mann mit Knüppeln — und die Bande ist verschwunden.“ Dieser Beamte habe auch ein Kind im Drehkreuz am Tor zum Lager „mit Absicht eingeklemmt“.

Für Uwe Berlinghoff vom Sozialministerium hat die Lagerleitung in Schwalbach „korrekt gehandelt“. Zirndorf habe die Flüchtlinge nach Sachsen-Anhalt verwiesen. Und „für uns in Hessen sind diese Leute kein Thema mehr“.

Angesprochen auf die Verhältnisse in Halberstadt meinte Berlinghoff: „Was für Soldaten gut war, kann doch für Asylanten nicht schlecht sein. Diese Leute sind doch angeblich aus furchtbaren Verhältnissen in Afrika geflohen.“