Taschendiebstahl nahm deutlich zu

■ Polizeipräsident Georg Schertz zur Kriminalitätsentwicklung in Berlin: Straftaten im Westteil der Stadt um 20 Prozent gestiegen/ Taschendiebstähle nahmen um 136 Prozent zu

Berlin. Mit rund 350.000 registrierten Straftaten allein in West-Berlin weist die Metropole an der Schnittstelle zwischen Ost- und Westeuropa 1990 einen Kriminalitätsrekord auf. Die Straftaten nahmen gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent zu. Polizeipräsident Georg Schertz führte diese Entwicklung gestern unter anderem auch auf »ein riesiges soziales Gefälle« Berlins zu seinem Umland zurück.

Als Delikt des Jahres 1990 nannte Schertz den Taschendiebstahl. Er stieg im Vergleich zum Vorjahr um 136 Prozent an. Die Aufklärungsquote insgesamt werde zum Jahresende mit 48 Prozent erneut höher sein als in anderen deutschen Großstädten. Schertz wies auf eine »alarmierende Beteiligung von Jugendlichen und Heranwachsenden an Straftaten« hin. Deren Anteil habe sich mit einem Zuwachs von 98 Prozent nahezu verdoppelt. Die Eigentumskriminalität ist in allen Bereichen angestiegen. Allein der Ladendiebstahl verdoppelte sich mit einem Zuwachs von rund 97 Prozent.

Als weitere Schwerpunkte der Kriminalität im Westteil der Stadt, die 1990 noch einmal gesondert registriert wurde, nannte Schertz »Großermittlungsverfahren mit DDR-Bezug« und die »Regierungskriminalität«. Zu den Großverfahren zählen auch die Schiebereien mit Transferrubeln. Insgesamt sei ein Schaden von rund 900 Millionen Mark entstanden, wovon 500 Millionen sichergestellt worden seien. Derzeit werde gegen 30 ehemalige DDR- Spitzenfunktionäre ermittelt, unteranderem gegen Honecker, Mielke, Mittag, Tisch und Schalck-Golodkowski.

Eine »nicht unerhebliche Steigerung« verzeichnet die Polizei nach Angaben von Schertz bei Tötungsdelikten und versuchten Tötungen: 100 Fälle in Gesamt-Berlin, davon etwa 70 im Westteil der Stadt.

Die Polizeibehörde ist nach der Vereinigung der Stadt von rund 21.000 auf rund 30.000 Mitarbeiter angewachsen. Schertz verwies darauf, daß die neuen Kollegen aus dem Osten vielfach noch nicht so einsetzbar wie die Ordnungshüter im Westen seien. Gegenwärtig müßten deshalb die Westberliner Beamten zusätzlich den Ostteil der Stadt »sichern«, während die ehemaligen Vopos nachgeschult würden.

1.800 Schutzpolizisten und 546 Kriminalbeamte aus dem Westen seien derzeit im Ostteil der Stadt tätig. Schertz plant, neben sichtbarer polizeilicher Präsenz zivile Fahndungsgruppen einzusetzen. Sie sollen verstärkt an »Kriminalitätsschwerpunkten« in S- und U-Bahnen sowie auf Bahnhöfen für Ordnung sorgen. taz/dpa