Orgelbau in den neuen Bundesländern

Auch der Orgelbau in den neuen Bundesländern, ein Aushängeshild des Handwerks in der ehemaligen DDR, steht vor der Krise, so meldet 'adn‘. Firmenamen wie Schuke (Potsdam), Sauer (Frankfurt/Oder), Eule (Bautzen) und Jehmlich (Dresden) — um nur die vier größten Betriebe der Branche zu nennen — hatten über Jahre immer volle Auftragsbücher und schrieben nur schwarze Zahlen. Doch beim nicht leichten Übergang in die Marktwirtschaft sehen auch sie sich unversehens in Schwierigkeiten. Unter den Bedingungen der sozialistischen Planung waren ihre Erzeugnisse preisgebunden und wurden subventioniert. Bei der Endabrechnung einer großen Orgel steckten somit im Finalprodukt immer auch mehrere -zig Tausend Mark an staatlichen Mitteln. Das fällt nunmehr weg. Doch damit nicht genug. Die Lohnkosten sind gestiegen und werden weiter steigen. Hinzu kommt jetzt die Mehrwertsteuer.

Kirchenrat Wolfgang Fischer, Referent für Kirchenmusik beim Bund der Evangelischen Kirchen, veranschaulicht die Auswirkungen: Gerade habe er den Brief einer Kirchengemeinde erhalten, in dem dieser von einer Orgelbaufirma mitgeteilt wird, der ursprünglich berechnete Preis für ein bestelltes Instrument werde sich etwa verdreifachen. „Unter diesen Umständen wird die Gemeinde den Auftrag vermutlich wieder zurückziehen und sich auf die Reparatur der alten Orgel beschränken müssen.“ Als Vertreter der großen Orgelbaufirmen im September in Berlin weilten, waren noch nicht viele Aufträge storniert worden, einfach weil die Lieferfristen (etwa zehn bis 12 Jahre) bisher so lang waren. Fischer: „Das war schon fast so schlimm wie das Warten auf den neuen Trabant.“ Durch zunehmende Angebote von Firmen aus anderen Bundesländern und verbesserte Technologien werde man von den „riesigen Auftragspolstern runterkommen“. Vor allem in der wachsenden Konkurrenz aus dem Westen sieht Fischer eine Gefahr, daß sich „das gesamte Gefüge der Orgelbaulandschaft“ verändert.

In Ostdeutschland gibt es über 20 Orgelbaubetriebe, von denen nach der Wende die größten reprivatisiert worden sind. Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten waren 1972 verstaatlicht worden. Konkurse seien in der Branche bisher nicht zu vermelden. Den kleineren Werkstätten räumt Fischer mittelfristig bessere Zukunftschancen ein. Der ostdeutsche Orgelbau stellt insgesamt rund 220 Arbeitsplätze.

Gernodt Schmidt, stellvertretender Geschäftsführer von Schuke, sieht die Branche keinesfalls nur als „trostlose Landschaft“. Unter Hinweis auf die prekäre Finanzsituation der ostdeutschen Kirchengemeinden, meinte er, daß der Reparatursektor fraglos eine größere Rolle spielen wird. Der Konkurrenzdruck sei vorerst auszuhalten, „weil westliche Firmen immer noch teurer sind“. Das Preisniveau werde sich jedoch schrittweise angleichen. Für Produzenten und Kunden sei momentan die Lage aber insgesamt nicht einfach. Sorgen mache ihm vor allem der Ostexport, betonte Schmidt. Die Geschäfte mit Partnern in der Sowjetunion, Polen, der CSFR und Bulgarien liefen bei weitem nicht mehr wie früher. „Den dortigen Kunden ist unsere Mark mittlerweile zu hart geworden.“