Abwicklung mit Hindernissen

■ Über das Scheitern des Senats, durch Abwicklung des Instituts für Denkmalpflege ein Haus zu besetzen

Die Abwicklungslawine rollt weiter, doch eigentlich hätte kaum jemand im 1674 erbauten Nicolai-Haus in der Ostberliner Brüderstraße 13 erwartet, daß sie auch das hier residierende Institut für Denkmalpflege erfaßt.

Rechtzeitig zum Fest überraschte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz mit einem Schreiben den ehemaligen DDR-Generalkonservator und Institutsdirektor Dr. Goralczyk mit der Aufforderung umgehend die nötigen Schritte zur Abwicklung seines Insituts einzuleiten (siehe Dokumentation). Auf einer eiligst einberufenen Belegschaftsversammlung berieten nun am Mittwoch die etwa 70 MitarbeiterInnen des Instituts die ultimativen Forderungen der Senatsverwaltung, die zuvor schon deren Direktor, Goralczyk, unter Hinweis auf die fehlende Rechtsgrundlage zurückgewiesen hatte. Denn im Gegensatz zu den bekannten Abwicklungsvorgängen an den DDR-Hochschulen oder in den Kultureinrichtungen Ostberlins stehen sich im Fall des Instituts für Denkmalpflege nicht nur die rücksichtslos agierenden Westberliner Behörden und die um ihre Existenz kämpfenden Ost-Betroffenen gegenüber. Der Streit um das weiter Schicksal des Instituts droht zu einer ersten Kraftprobe zwischen dem inzwischen Gesamtberliner Senat und der Landesregierung Brandenburg auszuwachsen. Bereits im August 1989 hatte der Regierungsbeauftragte für das Land Brandenburg und jetzige Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, Jochen Wolf (SPD), sein Interesse für das Ostberliner Institut angemeldet. Am 19.12. erneuerte sein Kabinettskollege, der aus Stuttgart importierte Kultusminister Enderlein (FDP), die brandenburgischen Forderungen.

Das Institut für Denkmalpflege unterstand bis zum 3. Dezember 1990 dem Ministerium für Kultur der Deutschen Demokratischen Republik und hatte die Aufgabe, die Rechtsträger, Eigentümer und Verfügungsberechtigten denkmalgeschützter Objekte fachwissenschaftlich anzuleiten. Diese Anleitung bezog sich vor allem auf bauliche, gärtnerische und städtebauliche Instandsetzungsarbeiten, Untersuchungen, Grabungen, Konservierungen und Restaurierungen. Zu diesem Zweck unterhielt das Institut neben seiner Berliner Zentrale, Zweigstellen in Schwerin, Erfurt und Halle. Doch während diese Zweigstellen und deren Mitarbeiter als neue Länderämter für Denkmalschutz in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen überführt werden konnten, scheint der Senat diese auch für die Berliner Einrichtung angestrebte Lösung torpedieren zu wollen. Vermutlich geht es den Berliner Behörden dabei weniger um eine kompetente Betreuung der Baudenkmäler im Osten der Stadt, als um die kostbare Immobilie in der Brüderstraße, die, in unmittelbarer Nachbarschaft des ehemaligen Staatsratsgebäudes und des Roten Rathaus gelegen, für hauptstädtische Repräsentationszwecke besonders geeignet scheint. Allerdings müßte man zuvor auch den hier privat logierenden Generaldirektor der Ostberliner Museen, Professor Schade, entmieten.

Die Brandenburgische Landesregierung leitet ihren Anspruch auf das Gebäude und die Mehrzahl der Institutsmitarbeiter aus der bisherigen Aufgabenstellung der Einrichtung ab. Denn bereits seit Beginn der fünfziger Jahre betreut die Berliner Filiale des Instituts neben den 8.000 Ostberliner Positionen auf der Liste der denkmalgeschützten Objekte auch die 25.000 auf dem Gebiet des jetzigen Landes Brandenburg. Nach einem im Institut erarbeiteten und in Potsdam bestätigten Konzept ergibt sich nach der Ausgliederung der Ostberliner Positionen ein Personalbedarf von 50 MitarbeiterInnen, die man, nach interner Überprüfung, vor allem aus dem hauseigenen MitarbeiterInnenstamm rekrutieren will und kann. Die Finanzierung dieses dann »Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege« scheint gesichert, nur die Raumfrage nicht. Denn während Potsdam sein Landesamt in der Brüderstraße untergebracht wissen will, daneben aber durchaus bereit ist, den mit den Ostberliner Objekten beschäftigten Kollegen Raum abzutreten, will der Senat alles und sofort.

Doch im Unterschied zur Brandenburger Landesregierung plant der Senat keine Übernahme von MitarbeiterInnen, sondern sieht für alle Beschäftigten die Abwicklung vor. Die Berliner Landesregierung stützt sich dabei auf eine aus dem alliierten Recht resultierende Arbeitsteilung im ehemaligen Ost-Berlin. Denn neben dem der DDR-Regierung unterstellten Institut für Denkmalpflege hatten im Ostberliner Magistrat drei Beamte über die hauptstädtischen Objekte zu wachen. Dieses Team erweiterte die Schwierzina-Regierung im Sommer 1990 mit Billigung des Senats auf 22 Planstellen, von denen zwar zwölf mit MitarbeiterInnen aus dem Institut in der Brüderstraße besetzt wurden, der Rest aber vor allem durch verfügbare Westler.

Aber nicht alle MitarbeiterInnen des Instituts können auf Hilfe aus Potsdam hoffen. So ist die Zukunft der Meßbildstelle genau so ungeklärt wie die der Abteilung CVMA. Hier sind sieben Wissenschaftler angestellt, die den gesamten Corpus denkmalgeschützter Glasmalerei auf dem Territorim der ehemaligen DDR wissenschaftlich und restauratorisch betreuen. Zwar kam noch vor einem halben Jahr die Zusage aus Bonn, daß ihre Arbeit aus Bundesmitteln weiterfinanziert werden kann, doch wurde diese Überlebensgarantie zurückgezogen. So bleibt ihnen allein die Abwicklung.

Nachdem die MitarbeiterInnen auf ihrer Belegschaftsversammlung mit der Besetzung des Hauses drohten, falls der Senat die Absicht habe, sein postuliertes Hausrecht durchzusetzen, eilten am Mittwoch Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz in die Brüderstraße. Nach zähen Verhandlungen verzichteten sie auf die Herausgabe aller Personalakten und die Übernahme der Schlüsselgewalt. Jetzt will man, so der Bevollmächtigte der Brandenburger Landesregierung Wibbrecht, »in den nächsten Tagen durch Verhandlungen eine entgültige Klärung erzielen.« André Meier