„Mehr Autonomie für die Regionen und Stämme“

■ Ein Gespräch mit Nur Ahmed Weheliye, Mitglied des „United Somali Congress“, über die Ziele der Opposition INTERVIEW

taz: Wer sind die Rebellen, die jetzt in Mogadischu kämpfen?

Nur Ahmed Weheliye: In Mogadischu selbst sind es hauptsächlich zwei Gruppen. Dazu gehören diejenigen aus der Bevölkerung, die den „United Somali Congress“ (USC) unterstützen, der vornehmlich vom Hawiye-Stamm getragen wird, der größten Bevölkerungsgruppe in Somalia. Dieser Clan stellt auch in Mogadischu die Mehrheit. Dann sind Rebellengruppen von außen nach Mogadischu hereingekommen, darunter viele ehemalige Regierungssoldaten und auch Politiker.

Sind auch andere Oppositionsgruppen beteiligt?

Es gibt zwei weitere Gruppen, die bewaffnet sind. Im Norden kämpft das „Somali National Movement“ (SNM), das 1988 die Kämpfe begonnen hat. Es war aber in letzter Zeit nicht sehr aktiv. Das „Somali Patriotic Movement“ kämpft im Süden. Beide sind jetzt in Mogadischu aber nicht dabei.

Wie ist die Beziehung zwischen diesen verschiedenen Gruppierungen?

Es gibt schon Unterschiede zwischen ihnen, aber in dem Ziel, Siad Barre zu stürzen, sind sie sich einig. Die Differenzen sind nicht prinzipieller, eher persönlicher Natur.

Welche Schritte plant der USC im Falle des Sturzes Siad Barres?

Der erste Schritt wäre eine Zusammenkunft aller Oppositionsgruppen. Dazu gehören auch einflußreiche Repräsentanten des Ältestenrates der Stämme und Vertreter der religiösen Gruppen. Die bilden dann eine Übergangsregierung. Diese Regierung muß eine neue demokratische Verfassung erarbeiten und Wahlen vorbereiten. Der USC strebt die Schaffung eines föderalistischen Systems an. Die Stämme und Regionen müssen mehr Autonomie bekommen. Gegenwärtig ist alle Macht bei der Zentralregierung konzentriert. In den Regionen kann man gar nichts ausrichten.

Welche Unterstützung hat die Opposition aus dem Ausland erhalten?

Alle drei großen Oppositionsgruppen haben etwas logistische und auch militärische Unterstützung aus Äthiopien erhalten. Hauptsächlich der USC hat gute Beziehungen zu Äthiopien.

Hat ihre Organisation ein Programm für die Zeit nach einem Sturz Barres?

Wir haben noch kein sehr ausgefeiltes Programm. Das muß noch entwickelt werden, zusammen mit den anderen Gruppen. Bis jetzt haben sich die Gruppen vor allem mit den Fragen der Organisation des Kampfes beschäftigt. Sie haben es nicht geschafft, ein gemeinsames Programm zu entwickeln. Ein großes Problem wird die Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme darstellen. Durch den Krieg und die katastrophale Situation in den Regionen sind sehr viele Menschen nach Mogadischu geflüchtet.

Zuerst werden wir Recht und Ordnung herstellen müssen, das wird sehr schwer, denn es ist zu befürchten, daß es nach den Kämpfen zu Racheaktionen kommt und zu blutigen Auseinandersetzungen. Wir müssen die Regierung auf eine breite Basis stellen und einen Konsens finden. Das gab es doch schon einmal. Wir hatten ja vor der Machtübernahme des Militärs 1969 schon einmal neun Jahre lang eine gewählte Regierung. Das war zwar nicht ideal, wie die Kolonialmächte das aufgebaut hatten, aber es hat einigermaßen funktioniert. Siad hat alles kaputtgemacht, die staatlichen Institutionen, die Wirtschaft. Der Staat ist zerstört. Interview: Jutta Lietsch