US-Armee verschleppt Verweigerer

■ Mit rüden Methoden gehen Militärs gegen kriegsmüde Soldaten vor/ An Händen und Füßen gefesselt an die Front/ Pazifistische Beratungsstelle nennt drei dokumentierte Fälle die Spitze eines Eisbergs

Trier (taz) — Die US-Armee verschleppt in der Bundesrepublik stationierte Soldaten notfalls auch gewaltsam an den möglichen Kriegsschauplatz am Golf. Die Beratungsstelle für verweigerungswillige US-Soldaten, „Military Counseling Network“ (MCN), legte der taz gestern Dokumentationen von drei Fällen vor, bei denen in der vergangenen Woche Soldaten gegen ihren Willen — zum Teil an Händen und Füßen gefesselt — nach Saudi-Arabien geschickt wurden.

Ein Tonbandmitschnitt belegt etwa den Fall des US-Sergeants Derrick Jones, der im hessischen Friedberg stationiert war: Jones hatte sich, nachdem er keine Reaktion auf seine eingereichte Kriegsdienstverweigerung erhalten hatte, für einige Tage von seiner Einheit abgesetzt, um bei einem Rechtsanwalt Hilfe zu suchen. In auf Band dokumentierten Verhandlungen mit seinem Vorgesetzten, Captain Cloy, gab dieser das Versprechen, als Verweigerer brauche Jones nicht an den Golf. Cloy wörtlich: „You won't fly.“

„Fast glücklich“ sei Jones daraufhin am vergangenen Mittwoch zu seiner Einheit zurückgekehrt, „fest entschlossen, das Militärgerichtsverfahren und die drohende halbjährige Haftstrafe durchzustehen“, berichtet Jörg Hoffmann, der Jones betreut hatte. Noch an der Pforte verhaftete die Militärpolizei den GI am Mittwoch gegen sechzehn Uhr, setzte ihn in einen Bus und brachte den „unter Schock stehenden“ (Hoffmann) Soldaten auf die Rhein-Main-Air-base. Knapp fünf Stunden später wurde er an den Golf geflogen.

Über Umwege erfuhr die Freundin eines anderen GIs, der in den Mainzer Lee Baracks stationiert war, von dessen vergeblichen Versuchen, sich dem Einsatz an der Front zu entziehen. Nur unter dieser ausdrücklichen Bedingung habe sich Bryan Centa als Sanitäter anwerben lassen, berichtet MCN-Sprecher André Stoner. Als Centa dennoch an Waffenübungen teilnehmen mußte, habe er vor drei Wochen den Kriegsdienst verweigert. Auch hier sei die Behandlung des Antrags offensichtlich verschleppt worden, so Stoner. Ein Freund Centas verständigte daraufhin heimlich die Freundin des Soldaten in den USA. Proteste verschiedener Gruppen kamen auch hier zu spät: Centa sei seit Donnerstag früh, sieben Uhr, „nicht mehr anwesend“, bestätigte ein Sprecher der Einheit. Er wollte nicht dementieren, daß der Soldat an Händen und Füßen gefesselt abtransportiert wurde.

Telefonisch aus Saudi-Arabien berichtete ein weiterer Soldat seiner Freundin, wie es ihm bei seiner Aschaffenburger Einheit ergangen sei, als er — ebenfalls ein Kriegsdienstverweigerer — sich weigerte, in die bereitstehende Transportmaschine zu steigen. Vier Mann hätten sich auf ihn gestürzt und ihn in die Maschine geschleppt.

Nach Einschätzung des MCN sind die bekanntgewordenen Fälle nur die Spitze eines Eisbergs. Gängige Praxis sei mittlerweile auch, eine dreitägige Ausgangssperre vor dem Abflug zu verhängen, um ein Absetzen von der Truppe in letzter Minute zu verhindern. Thomas Krumenacker

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