: Japan will Sanktionen gegen China beenden
Tokios Finanzminister in Peking/ Alle Kreditzahlungen sollen unverzüglich wieder aufgenommen werden ■ Aus Tokio Georg Blume
Als erste führende Industrienation will Japan „sämtliche Sanktionen“ gegenüber der Volksrepublik China aufkündigen und seine westlichen Verbündeten dazu bewegen, dem japanischen Beispiel zu folgen. Das gaben Tokioter Regierungsbeamte zum Auftakt eines zweitägigen Besuches des japanischen Finanzministers Ryutaro Hashimoto am Dienstag und Mittwoch in Peking bekannt. Hashimoto ist der ranghöchste Regierungsvertreter eines Mitgliedsstaates der G7-Gruppe, der seit dem blutigen Ende der chinesischen Studentenrevolte im Juni 1989 Peking besucht. Bereits Ende Januar will Hashimoto bei einem Treffen mit den Finanzministern der übrigen G7-Staaten — den USA, Italien, Frankreich, Kanada, Großbritannien und die Bundesrepublik — die neue China-Politik Japans zur Abstimmung stellen.
Trotz zahlreicher Verstöße gelten derzeit offiziell immer noch die von den G7-Ländern auf dem Weltwirtschaftsgipfel 1989 verhängten wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen, die westliche Kredite und Direktinvestitionen in China erschweren. Lediglich Japan hatte sich auf dem letzten Gipfel 1990 in Houston eine Ausnahme bei der Kreditbestückung Chinas erbeten. Als selbsternannter Emissär des Westens will der japanische Finanzminister nun in China erkunden, „inwieweit sich die Öffnungspolitik des Landes wieder durchgesetzt hat“. Doch die Themen seiner Konsultationen mit Parteichef Jiang Zemin und Premier Li Peng am Mittwoch in Peking ließ Hashimoto schon vor seiner Abfahrt bekanntgeben.
Demnach wird Japan alle unterbrochenen Kreditzahlungen an China unverzüglich wieder aufnehmen. Dies gilt insbesondere für einen 10-Milliarden-DM-Kredit der staatlichen Tokioter Export- und Importbank an die chinesische Regierung. Teile dieses Fünfjahreskredits werden bereits seit November fortgezahlt. Nun will Tokio sechs Milliarden DM bereits in diesem Frühjahr auszahlen. Darüber hinaus fordert die Tokioter Regierung alle japanischen Unternehmen auf, erneut direkt in der Volksrepublik zu investieren. Bisher hatte sie öffentlich davon abgeraten.
Regierung und Privatindustrie in Japan sind damit offensichtlich zu ihrem bereits vor dem Pekinger Blutbad erreichten Konsens zurückgekehrt, daß es in ihrem gemeinsamen Interesse liegt, den chinesischen Wirtschaftsaufbau in allen wesentlichen Breichen der Finanz- und Energiewirtschaft sowie der Elektronik mit japanischen Investitionen und Krediten strukturell zu kontrollieren. Die chinesische Regierung wird dem kaum etwas entgegenzusetzen haben. Kommentar der Tokioter Wirtschaftszeitung 'Nihon Keizai‘: „Die japanische Regierung will den westlichen Verbündeten zeigen, daß China für Reform und Demokratie steht.“
Siehe auch Seite 11.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen