Lieber Apfeldiät als Nudelmast

■ Bei den Weltmeisterschaften im Schwimmen gewannen die Amerikaner viermal Gold an einem Tag Die Deutschen dagegen enttäuschen und beginnen mit der Suche nach Gründen ihrer Niederlage

Perth (dpa/taz) — Wer hat den Temperatursturz in Australien am besten verkraftet? Zu Beginn der Weltmeisterschaften zeigten die Thermometer 37 Grad Celsius an. Nun fielen die Temperaturen auf „frostige“ 22 Grad. Die Amerikaner blieben cool, weil sie heiß auf weitere Medaillen waren. Das Olympia-Debakel von Seoul, als sie hinter der DDR nur Zweiter der Sportart-Länderwertung wurden, soll sich auf gar keinen Fall wiederholen.

400 Meter Freistil der Frauen: Mit drei Jahren beherrschte sie verschiedene Schwimmarten, zehnjährig stellte sie den ersten US-amerikanischen Altersklassen-Rekord auf. 1988 in Seoul hielt man die dreifache Olympiasiegerin Janet Evans für unschlagbar. Diesen Nimbus hat sie nach Niederlagen über 400 Meter Lagen und 200 Meter Kraul längst verloren. Aber gewinnen kann sie auch noch. In gewohnter Un-Art peitschte die 19jährige das Wasser wie ein Dreschflegel und gewann ihr erstes WM-Gold — zum Leid der australischen Zuschauer. Denn ihre große Hoffnung, die 200-Meter- Weltmeisterin Hayley Lewis wurde als Vorlaufschnellste nur Zweite. Die beiden bundesdeutschen Mädchen Stephanie Ortwig (Remscheid/6.) und Grit Müller (Potsdam/7.) spielten im Rennen keine Rolle. Ortwigs Trainer verzweifelte: Ausgerechnet während der WM hat Stephanie eine Apfeldiät begonnen. „Die sonst üblichen Nudeln rührt sie nicht an.“ Andrerseits kann er so wenigstens ihre enttäuschenden Plazierungen erklären.

100 Meter Freistil der Männer: Es war traditionell die Distanz mit den meisten Teilnehmern. 52 Krauler wollten den Kalifornier Matt Biondi vom Thron stoßen. Es gelang ihnen nicht. Matthew Nicholas Biondi gewann nach der WM 1986 und Olympia 1988 auch in Perth. 49,18 Sekunden reichten zum Sieg vor Schwedens Tommy Werner und dem 200-Meter-Weltmeister Giorgio Lamberti (Italien). Staffel-Weltmeister Peter Sitt wurde feiergeschwächter Siebter. Matt Biondi schiebt sich mit sechs Olympiasiegen und drei Weltmeistertiteln allmählich in die vorderste Reihe der Schwimmgeschichte. Nach den Olympischen Spielen 1988 spielte er ein wenig in der Wasserball-Nationalmannschaft, kümmerte sich intensiv um sein Studium der Politischen Ökonomie, um aber rechtzeitig für die WM wieder fit zu sein.

100 Meter Rücken der Frauen: Die doppelte Distanz beherrscht Krisztina Egerszegi aus Ungarn seit zwei Jahren wie keine andere. Nun gewann sie ihre erste Meisterschaft über 100 Meter. Tunde Szabo aus ihrem eigenen Team folgte ihr Rücken an Rücken, die Bronzemedaille gewann Danie Wagstaff (USA). Die Hamburgerin Svenja Schlicht enttäuschte sich und ihren Trainer mit dem vierten Platz. Sowohl bei den nationalen Meisterschaften als auch im Vorlauf schwamm sie schneller als in der Minute der Entscheidung. Vize-Europameisterin Dagmar Hase (Magdeburg) wurde nur Achte.

200 Meter der Männer: Der Dresdner Dirk Richter ist als Weltmeister von 1982 schon ein Altmeister des Schwimmens. Als Vorlaufzweiter mußte aber auch er einsehen: Es war nicht der Tag der Deutschen — Platz vier. Der Spanier Martin Lopez-Zubero wird als Weltmeister nun die Bürde einer Olympia-Hoffnung für Barcelona mit sich herumschleppen. Europameister Stefano Battistelli (Italien) und Wladimir Salkow (UdSSR) folgten ihm.

4* 100 Meter Freistil der Frauen: Es gab keine Wiederholung des Staffel-Krimis der Männer. Die Amerikanerinnen hatten im Ziel über eine Sekunde Vorsprung vor der Bundesrepublik und den Niederlanden. Nachdem die USA diesmal keinen Wechselfehler beging, mußten Simone Osygus, Kerstin Kielgaß, Karin Seick und Manuela Stellmach eingestehen, daß die deutschen Mädchen nur Gold gewinnen, wenn die Amis diqualifiziert werden.

Kunstspringen der Männer: Das Gesetz des Tages konnte auch der Münchner Albin Killat nicht durchbrechen. Bis zum achten Sprung führte er die Konkurrenz an, dann platschte der zweieinhalbfache Auerbach ins Wasser. Killat gewann Bronze und war stocksauer: „Da kriegt man einen halben Herzinfarkt.“ Weltmeister wurde nicht der Chinese Tan Liangde, sondern ein Ami: Kent Ferguson, über den Killat sagte: „Gestern war er schlapp. Er fing im Finale schlapp an. Aber dann ist der Junge aufgewacht.“

Bei der letzten Weltmeisterschaft hatten deutsche Schwimmer nach den bisherigen Rennen 16 Medaillen gesammelt. In Perth sind es acht. Die Apfeldiät von Stephanie Ortwig wird als Ursachenforschung nicht ausreichen. Deshalb ein weiterer Vorschlag: Am frühen Abend fegt „Fremantle's Doctor“ ins Schwimmstadion. Ein kühler Abendwind, auf den man sich nun wirklich nicht vorbereiten konnte. bossi