Zwischen Loyalität und Kritik

■ Der US-Kongreß wird nun zur Kriegsfrage Position beziehen müssen/ Die Bevölkerung möchte, daß die Administration ihre Verhandlungsbemühungen verstärkt

Schon einmal, während der Kuba- Krise, so erinnerte der Kongreßabgeordnete Les Aspin in diesen Tagen, hätten die USA diplomatisches Geschick bewiesen und einen drohenden Krieg durch eine heimliche Absprache mit der Gegenseite vermieden. Damals versprach John F. Kennedy seinem Gegenüber Chruschtschow als Gegenleistung für den Abzug der sowjetischen Raketen von Kuba das spätere Abräumen der in der Türkei stationierten US-Raketen, ohne daß die Öffentlichkeit davon erfuhr. Damit hatten die Sowjets ihren Preis und die Situation war entschärft. Wenn Aspin, der einflußreiche Vorsitzende des Militärausschusses im Repräsentantenhaus, jetzt die Diplomatie während der Kuba-Krise von 1962 zum Modell für eine Lösung des Golfkonfliktes erklärt, dann drückt er damit zweierlei aus: die Angst vieler vor einem von der Bush-Administration leichtfertig riskierten Krieg und die Hoffnung auf einen Deal mit Saddam Hussein.

Denn allein für George Bush und seinen engsten Beraterstab scheint die Angelegenheit am Golf so klar zu sein wie der erste Abschnitt in seinem von Außenminister Baker in Genf übergebenen Drohbrief an Saddam Hussein: bedingungsloser Rückzug oder Krieg. Ein Großteil der Bevölkerung würde vor dem Einsatz der US-Truppen zur Vertreibung Saddams gerne noch verstärkte diplomatische Bemühungen sehen. Das sind jedoch großtenteils die gleichen Amerikaner, die ihren Präsidenten in Meinungsfragen über seinen „Umgang“ mit der Golfkrise wieder zu 63 Prozent unterstützen. Im Falle von 1.000 getöteten US-Soldaten fiele diese Unterstützungrate für ein militärisches Vorgehen allerdings rasch auf 43, nach 10.000 Toten auf 35 Prozent ab, wie die Nachfragen der Meinungsforscher ergaben.

So gespalten wie das Volk ist auch der Kongreß, ja sogar die Administration selber. Bei der Abfassung des Briefes an Saddam Hussein gab es Streit zwischen dem Weißen Haus und dem Außenministerium. Die Hardliner aus Bushs engster Umgebung trauen nicht einmal Außenminister Baker über den Weg. Der diplomatisch gewiefte Baker, so befürchten Bushs Berater, könnte Saddam am Ende doch noch ein Zugeständnis machen, das die USA auf den Weg zu einer Verhandlungslösung bringe. Das Weiße Haus wird den Volksvertretern nun doch entgegen früherer Absichten einen der UN-Resolution nachempfundenen Entwurf vorlegen, der von den Parlamentariern die Unterstützung ihres Präsidenten für das weitere Vorgehen am Persischen Golf verlangt. Einen solchen Freibrief werden viele Parlamentarier George Bush nicht ausstellen wollen. Inwieweit sie jedoch seine kriegerische Haltung kritisieren, und in welchem Ausmaß sie die Resolution mit einschränkenden Gesetzesanhängen versehen sollen, darüber zerbrechen sich vor allem die Demokraten das Hirn. Im Falle eines rasch gewonnen Krieges könnten die Demokraten wieder einmal als unpatriotische Feiglinge verdammt werden; fordert der Krieg zuviele Leben, würde ihre loyale Unterstützung im Nachhinein selbst für Republikaner zum Problem. Der Präsident kann nach der von Donnerstag bis Montag angesetzten Debatte zwar in beiden Häusern mit einer klaren Mehrheit für seine Resolution rechnen. Ob dieses Votum, bei vielleicht 150 Gegenstimmen im Repräsentantenhaus und 40 im Senat, ausreichen wird, die Zweifel an der Ungeduld der Administration zu beseitigen, ist allerdings zu bezweifeln.

Das (Abstimmungs-)Verhalten des Kongresses hängt auch vom Ergebnis und den Folgen des Genfer Treffens zwischen den Außenministern Baker und Asis ab. Vor allem in der Administration herrscht große Angst, daß sich nach einem Scheitern der US-irakischen Gespräche die Europäer zu eigenmächtigen Alleingängen hinreißen lassen. Dann stünden in den USA alle Bush-Kritiker vor dem Dilemma: Folgen sie als kritische Patrioten am Ende doch ihrem Präsidenten auf den Kriegspfad, oder schließen sie sich als vaterlandslose Gesellen um des lieben Friedens willen der Stoßrichtung europäischer Verhandlungsbemühungen an. Rolf Paasch, Washington