Schauburg zeigt: "Tokio Drifter"

Hellblauer Anzug, weißes Hemd, dezente Krawatte, schwarzer Mecki-Haarschnitt — so hockt der Mann mit gebeugten Knien da. Die Pistole ist im Anschlag, der Gegner im Visier, dann fällt der Schuß. „Wenn ich auch sterbe, ich habe gelebt, wenn ich auch sterbe, ich war ein Mann.“

24 Jahre mußten vergehen, bis der japanische Gangsterfilm Tokio Drifter in unsere Kinos kam, und vielleicht ist es immer noch ein bißchen zu früh. Sind wir schon bereit für das Konglomerat aus Pop-Art-Ästhetik, Gangster-Kodex und erbarmungslosem Existenzialismus? Schockierende Tatsache ist: Tokyo Nagaremono stellt Godard in den Schatten, läßt Peckinpah erblassen und stellt für Aki Kaurismäki den unerreichbaren Gipfel der Sprödigkeit dar. Aber wie hat Regisseur Seijun Suzuki das gemacht?

Drei Faktoren bestimmen Suzukis Meisterwerk. Das Drehbuch: Titelheld Tetsus Boss ist aus der Yakuza (KennerInnen wissen, die japanische Verbrecherorganisation wird „Jaksa“ ausgesprochen) ausgetreten. Jetzt ist Tetsu arbeitslos, aber der Ehrenkodex der Gangster und die Sängerin Chiharu mit der Dauerwelle aus Beton bestimmen weiter sein Leben. „Yakuza bezahlen ihre Schuld / Yakuza tun ihre Pflicht / Ein Mann ohne Schuld / Ein Mann ohne Pflicht / Ist kein Mann.“ Die Produktionsbedingungen: Suzuki hatte für seine Filme, von denen er sechs pro Jahr drehte, 42 Tage Zeit. Das waren 2 Wochen Vorbereitung, 25 Tage Drehzeit und 3 Tage Schnitt. Nur unter diesem Zeitzwang konnte Suzuki seine bestechende Abstraktionsfähigkeit voll zur Geltung bringen. Loyalität und Moral in streng tradierten Formen — japanischer geht's nicht. Der Stil: Tokio Drifter, gedreht in Nikkatsu Scope (Breitwand, farbig), bietet ständig changierende Farben, wechselnde Kameratechniken, ultraharte Kleiderordnungen, die dunkelsten Sonnenbrillen, die je in Großaufnahme auf der Leinwand zu sehen waren und eine lila Tanzbar, die bereits nachmittags gerammelt voll ist.

83 Minuten pan-cineastische lachhafte durchgestylte untertitelte gewalttätige Unterhaltung. J.F.Sebastian

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