Zwei Maulkörbe für die US-Medien

■ Im Kriegsfall will das Pentagon zensieren/ Aber die Selbstzensur ist auch früher schon Praxis gewesen

Die etablierten US-Medien haben am Donnerstag gegen die vom Verteidigungsministerium vorgelegten Pressebestimmungen protestiert, die für die Berichterstattung über einen möglichen Krieg am Golf gelten sollen. Doch nur ein halbes Dutzend linker und alternativer Magazine bzw. Radiostationen haben sich wegen der Einschränkung der Pressefreiheit zu einer Verfassungsklage entschlossen; eine Entscheidung, die wiederum von den TV-Netzwerken und großen Tageszeitungen verschwiegen wurde.

Die Leitungen der vier wichtigsten Fernsehanstalten ABC, CBS, NBC und CNN warfen dem Pentagon Zensurbestrebungen vor, die weit über das Maß hinausgingen, das „zum Schutz der Soldaten und ihrer Mission“ notwendig sei. Sie wandten sich vor allem gegen die Regelung des Pentagons, daß alle Berichte über Kampfhandlungen vor der Veröffentlichung zunächst Regierungsvertretern vorgelegt werden müssen. Sogar das Nachrichtenmagazin 'Time Magazine‘, nicht gerade die Vorhut der kritischen Intelligenz im Lande, kritisierte in einem Schreiben an Verteidigungsminister Dick Cheney die Pläne seines Ministeriums, nur ausgesuchte Gruppen („Pools“) von Journalisten zur Berichterstattung einzuladen.

Das jetzt vom Pentagon veröffentlichte Regelwerk ist schon abgeschwächt. Zunächst hatte das Verteidigungsministerium auch allzu brutale Bilder der Kriegsgewalt und Abbildungen von Verletzten verbieten wollen. Nach einer absurden Diskussion über Kriegsgewalt im Fernsehen — in einem Land, auf dessen Bildschirmen alle 30 Sekunden gemordet und vergewaltigt wird — mußten sich die Militärs in dieser Frage jedoch geschlagen geben.

Dennoch stellt die jetzt verfügte Regelung eine in der amerikanischen Kriegsberichterstattung bisher einmalige Form der Pressezensur dar. Die Regelung werde nur die Atmosphäre zwischen den Kriegsreportern und den Pressoffizieren der Streitkräfte vergiften, warnte Miachel Getler, stellvertretender Auslandschef bei der 'Washington Post‘. Ohnehin wären die Pressevertreter in der arabischen Wüste allein aus Transportgründen von dem Willen der US-Militärs abhängig.

Beobachter halten denn auch die lautstarken Proteste der großen Medienorganisationen eher für den Versuch, das Bild von der kritischen US- Presse aufrechtzuerhalten, als für eine ernsthafte Gegenwehr gegen die Zensurversuche. „Nach der Erfahrung mit unseren Medien in den letzten zehn Jahren“, so Jeff Cohen von der kritischen medienbeobachtenden Organisation „Fair“ („Fairness and Accuracy in Reporting“), „braucht unsere Presse gar keinen Maulkorb mehr. Die hängen sich den schon selber um.“

Der Ruf der Medien ist in der Tat sehr umstritten. In der politischen Rechten und vor allem beim Militär herrscht in den USA immer noch die Meinung vor, die Medien hätten durch ihre kritische Kriegsberichterstattung in Indochina entscheidend zur Niederlage in Vietnam beigetragen.

Für linke MedienkritikerInnen ist dieses Bild einer aggressiven und investigativen US-Presse dagegen ein Mythos. Die Enthüllung des Kriegsmassakers von My Lai mag zur Diskreditierung der Militärs und zur Skepsis gegenüber dem Vietnamkrieg beigetragen haben. Es habe damals jedoch 18 Monate gedauert, erinnert sich Jeff Cohen, ehe der Journalist Seymour Hearsh mit seiner Story ein Publikationsorgan gefunden hatte: eine linke Nachrichtenagentur, die heute nicht mehr existiert.

Zum letzten Mal hatten die US- Medien bei der Invasion in Panama im Dezember 1989 Einschränkungen hinnehmen müssen. Während der ersten Invasionstage, als auf der Suche nach dem Diktator Manuel Noriega das Armenviertel El Chorillo in Schutt und Asche gelegt wurde, hielt man selbst die US- Presse vom Kriegsschauplatz fern. Aber auch als die US-Reporter nach ihren Protesten endlich losgelassen wurden, waren es vor allem die ausländischen PressevertreterInnen, die Interesse an den verborgenen Wahrheiten der Panama-Invasion zeigten.