Solidarität durch Steuersenkung

■ Klaus Murmann, Präsident der Arbeitgeberverbände, zum Solidarpakt für Ostdeutschland

Der Vorschlag des stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Fink für einen Solidarpakt zugunsten der neuen Bundesländer hat bisher kaum Zustimmung gefunden. Ähnlich wie die Gewerkschaften selbst bleiben auch die Arbeitgeber skeptisch.

taz: Werden die Arbeitgeber sich an einem Sozialpakt zum Aufbau Ostdeutschlands beteiligen?

Klaus Murmann: Die Arbeitgeber haben in den letzten Wochen mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß eine gemeinsame solidarische Grundhaltung zu den Problemen der neuen fünf Bundesländer richtig ist. An den runden Tisch gehören neben dem DGB und der DAG auch die Bundesregierung. Wenn man diesen sozialen runden Tisch als Zugehen auf einen Solidarpakt bezeichnen will, sind die Arbeitgeber bereit.

Was würden die Arbeitgeber in einen solchen Pakt einbringen?

Wir könnten auf den gemeinsamen Positionen mit dem DGB und der DAG aufbauen. Wir finden uns gemeinsam in dem Ziel, so schnell wie möglich die Einkommen in den östlichen Bundesländern auf das Niveau des Westens zu bringen. Aber die Definition „so schnell wie möglich“ bedeutet natürlich, daß dies nur mit dem richtigen Augenmaß geschehen kann.

Der stellvertretende DGB-Vize Fink will ein Prozent der Löhne für Investitionen, aber auch ein Prozent der Gewinne für einen Qualifizierungsfonds in Ostdeutschland zur Verfügung stellen.

Ich halte diesen Vorschlag für unrealistisch. Auch im Gewerkschaftslager gibt es keinen einzigen mehr, der die Frage des Lohnverzichts mit Fink teilt. Sie hat also keinerlei Aktualität. Fink hat in den blauen Himmel hineingeredet...

... wie ein Versuchsballon, der auch in den Himmel steigt...?

... und wenn ich eine Lösung im Himmel nicht finden kann, muß ich auf der Erde bleiben. Es bliebe also nur der Appell an uns, einen Gewinnverzicht zu machen. Da bin ich der Auffassung, daß die richtig angedachten Präferenzen steuerlicher Art für die östlichen Bundesländer gewissermaßen als eine Art Solidarbeitrag gesehen werden können. Nun Zusätzliches zu fordern — und zwar allein von den Unternehmen —, das ist nicht drin.

Aber Steuerpräferenzen im Osten kommen doch den Unternehmern zugute. Sie sind kein Opfer.

Die Situation erforderte schon lange vor der Wiedervereinigung Maßnahmen gegenüber der Überbesteuerung, wie wir sie heute im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn haben. Wenn die Wirtschaft nun sagt, sie stellt den Wunsch in den Westländern zeitlich zurück zugunsten eines Vorziehens bei der steuerlichen Entlastung in den östlichen fünf Bundesländern, ist das ein Solidarbeitrag. Dazu kommen noch die vor allem im Westen aufzubringenden höheren Lasten, etwa auf die Arbeitslosenversicherung, die ja eine reine Abgabe zugunsten des Arbeitsmarktes in den östlichen Bundesländern darstellen.

Würden Sie irgendeine tarifliche Verpflichtung eingehen?

An dem runden Tisch müßten in einer mittel- oder längerfristigen Perspektive konzeptionelle Leitlinien entwickelt werden, die den im Osten Beschäftigten glaubhaft machen, daß — und in welcher Zeit — sie an das Einkommensniveau im Westen anschließen können. Das halte ich für sehr wichtig. Wir können allerdings nicht, weder der DGB noch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, nun die Tarifverhandlungen der einzelnen Tarifträger ersetzen.

Soll die Produktivität der Maßstab für die Lohnsteigerung im Osten sein, oder muß man darüber hinausgehen?

Wir sind seit 25 Jahren der Meinung, daß die Produktivität der einzige Maßstab für die Tarifpolitik ist und bleiben wird. Und dieser für die ganze Welt gültige Maßstab gilt natürlich auch in den östlichen Bundesländern. Wenn man diesen Maßstab verlassen will, muß einer die Differenz bezahlen. Der muß erst mal gefunden werden. Ich habe ihn noch nicht entdeckt. Interview: Martin Kempe