Schlacht zwischen US-Waffengattungen ums Geld

Struktur der US-Truppen am Golf wird mehr von zukünftigen Haushaltsverhandlungen als „militärischen Erfordernissen“ eines möglichen Krieges bestimmt/ Keine Einheit will den Krieg verpassen/ Gespräch mit einem hohen Ex-Pentagon-Beamten  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Der Krieg am Golf hat noch nicht begonnen. Doch in den Vereinigten Staaten sind die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Waffengattungen schon am 2. August mit dem Einmarsch der irakischen Truppen in Kuwait ausgebrochen. Denn die Zusammensetzung der US-amerikanischen Streitkräfte in der Golfregion ist weniger das Resultat militärisch-strategischer Erfordernisse als traditioneller Rivalitäten innerhalb der Streitkräfte. „Unglücklicherweise“, so formulierte es Laurence Korb, ein ehemaliger hoher Pentagon-Beamter, „scheint unsere Truppenstruktur mehr von den zukünftigen Haushaltsverhandlungen auf dem Capitol Hill geprägt zu sein als von den Erfordernissen einer möglichen Schlacht gegen Saddam Hussein.“ Korb, der Anfang der 80er im Pentagon für Logistik und Personal zuständig war, beschreibt im Gespräch mit der taz die im militärischen Sinn irrationalen Aspekte der amerikanischen Aufrüstung am Golf.

Was beispielsweise, so fragt Korb, machen zwei Drittel aller einsatzfähigen Kampfeinheiten des Marinekorps am Golf, wo dieses Expeditionskorps für den Stellungskrieg in der Wüste doch überhaupt nicht ausgebildet ist und es überhaupt nur einen Ort für ein amphibisches Landeunternehmen gibt? Die Präsenz der Marines am möglichen Kriegsschauplatz habe primär budgettechnische Gründe: Im Wettbewerb um einen Platz in der zukünftig auszubauenden „schnellen Eingreiftruppe“ (Rapid Deployment Force) wären die Marines dann direkte Rivalen der Armee.

Daß die Interessen der Militärs mit denen der Nation verwechselt werden, hat in den USA Tradition. Schon 1980, bei der mißglückten Befreiung amerikanischer Geiseln im Iran unter Jimmy Carter, sowie 1983 bei der dilettantisch durchgeführten US-Invasion in Grenada behinderten sich die rivalisierenden Waffengattungen gegenseitig. Nach Panama schickte man letztes Jahr eine buntgemischte Truppe aus 40.000 Soldaten, die dann auf ihrer Suche nach dem flüchtigen Diktator Noriega gleich einen ganzen Teil der Hauptstadt zerstörten.

„Wer heute Teil der militärischen Ausstattung für die neue Weltordnung sein will“, erklärt Korb, „der muß bei der Aktion am Golf einfach dabeisein.“ Aus diesem Grund tummeln sich in dem Krisengebiet demnächst 430.000 Soldaten aus allen fünf Waffengattungen der US-Streitkräfte. Sogar die Küstenwache, sonst auf das Abfangen von Kokainschmugglern dressiert, ließ sich ihren Beitrag zur „Operation Wüstenschild“ nicht nehmen. Die Navy schickte gleich sechs ihrer Flugzeugträger-Gruppen an den Golf, statt die Schiffe für einen beschleunigten Truppentransport zur Verfügung zu stellen; und das alles nur, um es in puncto Kampfflugzeuge mit der Air Force aufnehmen zu können. Militärisch ist das eine Fehlplanung.

Für das Pentagon, so glaubt Korb, steht bei dem Konflikt am Golf vor allem der Erhalt der Truppenstärke von 2,1 Millionen Soldaten auf der Tagesordnung.

Erst im Frühjahr hatten sich in den USA Administration und Kongreß auf die Kürzung der aktiven Truppen um 500.000 in den nächsten fünf Jahren geeinigt. Nach diesen Plänen hätte die Army sechs Divisionen, die Navy zwei Flugzeugträger-Gruppen und 100 Schiffe, hätten die Marines ein Viertel ihrer 190.000 Krieger und die Luftwaffe elf taktische Kampfgeschwader verloren.

Und noch eine weitere von diesen Kürzungen betroffene Militäreinheit hat sich energisch ihren unverdienten Platz an der Front erfochten. Nach Protesten aus der Führung der Reserve wurden zahlreiche Reservisteneinheiten der sogenannten „Round Out Brigades“ an den Golf verschifft, obwohl an deren Kampfbereitschaft und Wüstentauglichkeit ebenfalls einige Zweifel bestehen. Nachdem der US-Kongreß in den letzten Jahren 26 Milliarden Dollar für die Realisierung des auf einer aktiven Reserve aufgebauten „Total Force Concept“ bewilligt hatte, wollten die Parlamentarier nun auch eine sichtbare militärische Dividende für ihre Investitionen in das Reservistenkonzept sehen.

Wird der zukünftigen Planung die jetzt in Saudi-Arabien „erforderliche“ Truppenstärke zugrunde gelegt, so rechnet Korb vor, dann benötigten die USA zur Aufrechterhaltung ihrer übrigen weltweiten Verpflichtungen als letzte Supermacht eben genau jene Streitmacht von zwei Millionen Soldaten, deren Schrumpfung bis zum 2. August aus haushaltspolitischen Gründen noch unvermeidlich schien.

Laurence Korb fragt sich auch, ob sich die politische und militärische Führung im Ernstfall den Ansprüchen der verschiedenen Waffengattung zu widersetzen vermag. Immerhin wurde der Chef der Luftwaffe, General Dugan, wegen seines offenen Plädoyers für einen primären Luftkrieg bereits gefeuert. Wenn es am Golf schließlich zum Knall kommt, dann werden erst recht alle Waffengattungen zur Sicherung ihrer langfristigen Pfründe dabei sein wollen. „Wenn George Bush nicht aufpaßt“, so Laurence Korb, „dann könnte er die Nation in einen Konflikt verwickeln, der mehr mit der Besitzstandswahrung der Waffengattungen als mit der vielbeschworenen neuen Weltordnung zu tun hat.“