Rotations-„Gastarbeiter“ aus dem Osten

Bundesdeutsche Arbeitsämter werben wieder Arbeitskräfte im Ausland an/ Befristet auf jeweils drei Monate sollen sie für Mangelberufe vermittelt werden/ Regierungsabkommen mit osteuropäischen Ländern sind bereits abgeschlossen  ■ Von Vera Gaserow

Berlin (taz) — Erstmals seit dem 1973 erlassenen Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte wird es in der Bundesrepublik wieder neu zuziehende „Gastarbeiter“ geben. Entsprechende Regierungsabkommen sind bereits mit den potentiellen Herkunftsländern Polen, Ungarn und Jugoslawien unterzeichnet, die Verhandlungen mit der Tschechoslowakei laufen noch. Schon in diesem Jahr, so rechnet man bei der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Frankfurt, werden einige tausend Saisonarbeiter aus Osteuropa vor allem in die Landwirtschaft, den Weinbau oder in das Hotel- und Gaststättengewerbe vermittelt werden. Die Neuangeworbenen werden dabei Arbeiter dritter Klasse sein: Sie dürfen jeweils nur maximal drei Monate im Jahr in der Bundesrepublik arbeiten und leben. Danach müssen sie Deutschland wieder verlassen und erhalten für den Rest des Jahres keine Arbeitserlaubnis aber auch keine Aufenthaltserlaubnis mehr.

Rechtlicher Hintergrund dieses nun anlaufenden Verfahrens, so argumentiert die Bundesanstalt für Arbeit, sei das seit Jahresbeginn geltende neue Ausländergesetz. Das gebe in seinem Paragraph 10 neue Möglichkeiten für eine Arbeitsaufnahme von Ausländern unterhalb der Dreimonatsgrenze. Aus dem entsprechenden Paragraphen läßt sich aber keine solche Regelung herauslesen. Stattdessen hat die Bundesregierung vielmehr den Ermessensspielraum geändert, den sie sich mit dem 1973 erlassenen Anwerbestopp gegeben hat. Angesichts eines notorischen Arbeitskräftemangels in einigen wenig attraktiven Branchen hat man auf dem Verordnungsweg den bisher rigide praktizierten Anwerbestopp ein wenig durchlöchert.

Die künftigen Zeitarbeiter müssen für ihren Arbeitsaufenthalt in der Bundesrepublik ein besonderes Genehmigungsverfahren durchlaufen. Die auf ein Vierteljahr begrenzte Arbeitserlaubnis wird nur über Arbeitsämter in den jeweiligen Herkunftsländern im Zusammenspiel mit der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Frankfurt erteilt. In der Praxis kann das so aussehen: Weinbauer X im Kaiserstuhl sucht für die Erntezeit eine Arbeitskraft. Nur wenn er partout keinen Deutschen oder schon in Deutschland lebenden Ausländer für diesen Job findet, kann er sich an die Arbeitsvermittlung in Frankfurt wenden. Dort kann er entweder namentlich eine bestimmte Person aus einem Nicht-EG-Land anfordern, oder einfach personell noch unbestimmt seinen Bedarf anmelden. Der wird dann via Frankfurt an die Arbeitsämter in bestimmten Ländern weitergeleitet.

Als potentielle Anwerbeländer kommen jedoch nur die Staaten in Betracht, mit denen klare Abkommen unterzeichnet sind. Und das sind bisher nicht die traditionellen „Gastarbeiterländer“, sondern ausschließlich osteuropäische Staaten. Schon in den nächsten Wochen sollen die Arbeitsbehörden in Polen, Ungarn und Jugoslawien, mit denen entsprechende Regierungsverträge bereits unterzeichnet sind, über die örtlichen Medien auf die Job-Möglichkeiten in Deutschland aufmerksam machen.

Die Arbeitsämter werden dann die Bewerbungen aufnehmen und an die Zentrale Arbeitsvermittlung in Frankfurt weiterleiten. Die wiederum schickt dann die entsprechenden Arbeitsverträge der suchenden Firmen in die Herkunftsländer zurück, und mit dem Kontrakt in der Tasche sollen dann die Rotations- Gastarbeiter problemlos und schnell ein Einreisevisum und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.

Wie groß die Anzahl dieser „Saisonarbeiter“ sein wird, das weiß man auch in Frankfurt noch nicht. Das hänge eben vom „Markt“, sprich vom Arbeitskräftebedarf ab, und der sei in bestimmten Branchen „sehr hoch“. Eine Quote werde es nicht geben. Bei der Bundesanstalt in Nürnberg ist man stolz auf dieses Rotationsmodell, denn über ein geregeltes Verfahren glaubt man bessere Einflußmöglichkeiten auf die Arbeitsbedingungen der künftigen „Gastarbeiter“ zu haben als bei der Schwarzarbeit. Bei der Vermittlung werde man darauf achten, daß die Arbeitsverträge „sozial verträglich“ sind, heißt es aus Nürnberg. Zumindest auf dem Papier sollen die Arbeitgeber sich verpflichten, ihren ausländischen Arbeitern vergleichbare tarifliche Bedingungen wie deutschen Arbeitskräften zu bieten. So miserabel die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen in der Praxis auch sein mögen, solange die wirtschaftliche Lage in ihren Heimatländern so ausweglos ist, werden in Osteuropas Arbeitsämtern Schlangen stehen für die Rotationsarbeit in Deutschland. Und auch für die Bundesregierung ist die Interessenlage klar: man will die billigen, dringend gebrauchten Arbeitskräfte, aber nicht die Menschen mit ihren Bedürfnissen und zu erwartenden sozialen Problemen. Integration unerwünscht.