Krieg als Fernsehinszenierung

Eigentlich wollte ich Mittwoch abend nur herausfinden, ob RTL plus wirklich den Nerv haben würde, den US-Kriegsfilm War Birds — Top-Gun-Piloten im Einsatz auszustrahlen. Die Privaten zeigten Sensibilität und sendeten ersatzweise eine Komödie. Danach versuchte ich noch, letzte Nachrichten zu erwischen, und rutschte in den Krieg. Während im ZDF längst Schluß war und Sabine Christiansen von der ARD noch herumstotterte und jeden zweiten Satz mit „Möglicherweise...“, „Unbestätigten Meldungen zufolge...“ anfing, war auf dem amerikanischen Nachrichtenkanal CNN das Inferno schon in vollem Gange. Drei ihrer Reporter berichteten live aus einem Bagdader Hotel. Da fühlte sich einer von ihnen „im Mittelpunkt der Hölle“, ein anderer beschrieb eine Druckwelle, die durch die offenen Fenster ihres Hotelzimmers zu spüren gewesen sei; Leuchtspurgeschosse, Flak-Feuer, lasergelenkte Bomben und gigantische Explosionen — die „Boys in Bagdad“ brachten sie direkt in die Wohnzimmer der verkabelten Fernsehwelt. In der ARD brabbelte Frau Christiansen immer noch etwas von „angeblich soll...“ und versuchte verschlafene Korrespondenten zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt lag sie mit ihren News ungefähr eine halbe Stunde hinter CNN. Die Privaten waren cleverer: Sie ließen das aktuelle Programm von CNN über ihre Kanäle laufen. Die Nase vorn hatte in dieser Nacht eindeutig Tele 5, das sich schon frühzeitig in den amerikanischen Kanal einschaltete und alle paar Minuten eine kurze Zusammenfassung auf deutsch präsentierte. RTL plus und Sat.1 brachten die amerikanischen Fernsehbilder kommentarlos und zeitweilig sogar ohne Ton. Inzwischen hatte Nachrichtenfrau Christiansen ein paar Mitarbeiter in der Golfregion aus den Betten geholt. Ihre eindringlichen Fragen beantworteten die Korrespondenten mit Hinweisen wie „Vor wenigen Minuten berichtete CNN...“, was zur Folge hatte, das die ARD den Vorsprung der Amerikaner auf 15 Minuten verkürzen konnte. Als um drei Uhr Präsident Bush seine Rede hielt, hatte die ARD für kurze Zeit mit CNN gleichgezogen, konnte diese Position sogar bis zur Pressekonferenz von Verteidigungsminister Cheney halten und fiel danach wieder zurück. Da stellt man sich doch die Frage, warum zum Teufel wir uns im öffentlich-rechtlichen Fernsehen einen riesigen Journalistenstab leisten, wenn ein einziger Simultanübersetzer den Job besser und schneller erledigt. Karl Wegmann