Israels Regierung gerät unter Druck

■ Nach den wiederholten irakischen Angriffen fragen sich viele, wie lange das noch so weitergehen soll/ „Antwort“ binnen 48 Stunden angekündigt

„Israel wird in 48 Stunden auf die Angriffe antworten“ — mit dieser Ankündigung reagierte der Sprecher des israelischen Verteidigungsministeriums, Danny Naveh, gestern nachmittag auf den zweiten irakischen Angriff gegen Israel. Offensichtlich sei den US-amerikanischen Streitkräften die Zerstörung des irakischen Militärpotentials nicht gelungen, es sei noch „nahezu intakt“, behauptete der Sprecher. Angesichts des zweiten irakischen Angriffs gerät die israelische Regierung zunehmend innenpolitisch unter Druck zurückzuschlagen.

Bei dem Raketenangriff vom Samstag morgen, 27 Stunden nachdem die ersten Bomben fielen, zeigte die Bevölkerung bereits eine gewisse Routine. Nach mehreren Fehlalarmen suchte man erneut das gegen Gasangriffe gesicherte Zimmer auf, und noch bevor man sich die Gasmaske über den Kopf ziehen konnte, krachte es einige Male. Eine halbe Stunde später wurde im Rundfunk bekanntgegeben, es handele sich „nur“ um einen konventionellen Angriff auf die Stadt Tel Aviv und Umgebung.

Die strikte israelische Militärzensur verhinderte allerdings eine exakte Berichterstattung über die Zahl der Raketen oder der Treffer. Das Militär befürchtet, daß die Bekanntgabe von Einzelheiten dem Gegner Hinweise auf die Treffsicherheit und Wirkung seiner Angriffe liefern könnte. 17 Menschen mußten, meist wegen Schnittwunden, behandelt werden.

Die Bewohner der Stadt, die nicht in die Provinz gefahren sind, werden nun allmählich ungeduldig und ärgerlich über den schon seit einigen Tagen währenden Ausnahmezustand, der das normale Leben zu Stillstand bringt. Wird Saddam Hussein nun auch nichtkonventionelle Waffen gegen Tel Aviv einsetzen? Wie lange soll man das ertragen, ohne einen Gegenschlag zu führen? Wieweit kann man sich auf die Versprechen der USA verlassen, die sichtlich nicht in der Lage sind, die irakischen Raketenbestände und Abschußrampen zu vernichten? Dabei hatte es zunächst geheißen, daß Saddam Husseins Luftwaffe nach dem ersten Kriegstag so gut wie erledigt war. Jetzt wird von den Alliierten zugegeben, daß auch weiter mit Angriffen auf Israel zu rechnen ist.

Wie lange das noch so weitergehen soll, fragen sich viele. Man weiß natürlich, daß Israel die Mittel für einen gewaltigen Gegenschlag besitzt und von Washington gezwungen wird, sich zurückzuhalten, damit die antiirakische Koalition nicht auseinanderfällt. Aber in Israel wird jetzt auch darauf hingewiesen, daß Ägypten bereits offiziell bekanntgegeben hat, einen israelischen Angriff zu tolerieren; und auch im Falle Syriens war das zuvor angekündigte Ausscheren am Samstag nicht mehr klar. Jordanien schließlich will sich im Falle eines Krieges zwischen Israel und dem Irak „neutral“ verhalten.

Viele Israelis sehen daher nicht ein, „warum sich Israel diesen Raketenterror aus Bagdad gefallen lassen muß“, und fordern sofortige Vergeltungsangriffe. Die Gegenargumente: der Zorn von US-Präsident Bush und die Gefahr einer Ausweitung des Krieges, angesichts derer die gegenwärtigen Gefahren für Israel relativ gering erscheinen.

Viele Israelis fragen sich auch, weshalb es der Luftabwehr nicht gelang, die irakischen Raketen zu treffen. Hierzu wurde am Freitag aus israelischen Militärkreisen bekannt, daß die Armee über zwei Batterien von Patriot-Abwehrraketen amerikanischer Herstellung verfügt. Die Raketen seien „bald einsatzbereit“. Die Patriot ist eine Langstrecken- Boden-Luft-Rakete, die extrem schnell und gut zu steuern ist. Ihre Trefferquote liegt bei 80 Prozent. Mit einer Patriot-Abwehrrakete war in der Nacht zum Freitag eine irakische Scud-Rakete über Saudi-Arabien abgefangen worden.

Amos Wollin, Tel Aviv