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„Ein paar Stunden Ablenkung“

■ Krieg und Spiele: Krawall beim Fußball-Hallenturnier / Werder auf Platz drei

Werder Bremen gegen Spartak Moskau (4:7). Von links: Wolter, Popov, Bockenfeld, SchalimowFoto: Walter Schumann

Dem Krieg am Golf kann in diesen Tagen niemand entgehen, nicht einmal beim Hallen-Fußballturnier in der Stadthalle am Samstag. Schon vor dem 150 000 Mark teuren Spitzenturnier hatte Werder Bremens Manager Lemke gemunkelt: „Eigentlich hätte man die Spiele auch absagen müssen.“

„Da haben die nie im Ernst dran gedacht“, war die Gegenmeinung eines der Schiedsrichter, „Werder wollte doch nicht einmal eine Gedenkminute.“ Lemke bestätigte das indirekt: „Wir mußten auch an die Zuschauer denken. Ein paar Stunden Ablenkung in dieser angespann

hierhin bitte

das Fußballfoto

ten Situation sind vielleicht auch ganz gut.“

Ob die Ablenkung oder doch das große Geld Hauptmotiv für die Durchführung des Turniers war, interessierte die dreißig Leute gar nicht, die pünktlich zu Turnierbeginn am Samstag einen Zuschauerblock mit HSV-Fans stürmten. Da flogen die Flaschen und Feuerwerkskörper, und vor allem auf die eine Etage tiefer sitzenden Zuschauer auf den teuren Plätzen. Dort gab's Panik, im Foyer ebenso, wo Brötchen- und Bierverkäufer ihre Auslagen nicht so schnell einpacken konnten, wie die Fans zupackten.

Als Polizisten in Demo-Ausrü

stung den Block räumten, klatschte das Publikum Beifall und schimpfte im übrigen über „Hooligans“. Die Abgeführten sahen es anders. Unter ihnen war nämlich ein Trupp von 15 Vermummten, die eigentlich das Turnier zum Anlaß ihres Protestes gegen den amerikanischen Angriff auf den Irak machen wollten.

Offenbar hatten sie übersehen, daß den Bremer Hooligans das ein willkommener Anlaß war, den verhaßten HSV-Fans eins mitzugeben. So blieb vom Anti-Kriegsprotest das Bild eines „normalen“ Fan-Krawalls.

Richtig Stimmung kam in der Halle nicht mehr auf. Werder tat sein Teil dazu. Ohne große Gegenwehr ließ die Elf sich im Halbfinale von Spartak Moskau auskontern. Eher zaghaft griffen die Bremer an und verloren zu Recht mit 4:7.

Das leicht genervte Publikum piff sogar Werders Abwehrspieler Borowka minutenlang aus, als er auf dem Spielfeld Gegner und Schiedsrichter körperlich angriff.

Borussia Dortmund und der HSV boten im anderen Spiel nur Bundesliga-Bieder-Fußball. 4:3 siegten die Dortmunder. Im Endspiel gewannen sie dann gegen Moskau mit 11:7, wobei die Zahl der Tore das interessanteste war.

Technische Kunststücke und elegante Ballpassagen blieben in den meisten Spielen eine Seltenheit; nur Werder machte im Spiel gegen den HSV um Platz 3 einige Ausnahmen. Vor allem Uwe Harttgen gelangen hübsch anzusehende Tore. 7:1 reichten Werder zum Sieg, die Teilnahme an der Endrunde um die Deutsche Hallenmeisterschaft ist damit gesichert.

Viele Zuschauer blieben während des ausverkauften Turniers auf den Gängen, an der Theke, beim Essen. Auch dort war der Krieg Thema Nummer eins. „Noch einmal“, erklärte ein bekannter Bremer Amateurspieler, „würde ich in dieser Lage nicht zu so einem Turnier gehen. Das Amateur-Hallenturnier in der nächsten Woche sollte man auch absagen.“ Die Stadthalle hatte dieses für Amateure lukrative Turnier nach Absage der Musikschau (wegen Krieges) gerade in die große Stadthalle verlegt. Dieter Mützelburg

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