piwik no script img

Palästinenser in Bremen bespitzelt

■ Bremer Staatsschutz verschickt Scheinvorladungen / Bremer Anwälte: Rechtsunsicherheit geschürt

Cirka 30 PalästinenserInnen hatte die Abteilung „Linksextremismus und politisch motivierte Ausländerkriminalität“ des 7. Kommissariats in der letzten Woche aus der Kartei der Ausländerpolizei herausgefischt und eine Vorladung geschickt. Darin werden die Adressaten „zu ihrer Vernehmung als Zeuge zu einem Gespräch wegen des Golfkrieges und der hierdurch zu erwartenden Terroranschlägen in der BRD durch 'Palästinenser Gruppen'“ aufgefordert.

Sowohl das Formblatt als auch der Text erwecken den Eindruck, als handele es sich um eine Vorladung im juristischen Sinne. „Dadurch haben Sie bei einem großen Teil der Palästinenser bewußt eine Rechtsunsicherheits produziert“, warf Horst Wesemann, Vorsitzender der Initiative Bremer StrafverteidigerInnen, dem Staatsschützer Abteilungsleiter Herrmann vor. Durch die persönliche Zustellung der Ladung durch Beamten des politischen Kommissariats werde der Eindruck erweckt, „als seien die Adressaten bei der Polizei schon auf Sicht“. Die Ladung als „Zeuge“ unterstelle außerdem, daß die Palästinenser in Verbindung mit Terroranschlägen stünden.

Herrmann wies die Vorwürfe zurück. Zwar sei „die Wahl des Formblattes etwas unglücklich“, jedoch könne von „Einschüchterung oder Aufforderung zur Denunziation keine Rede“ sein. Man habe anläßlich der massiven Terrorandrohungen aus den Reihen palästinensischer Gruppen „mit einem Gespräch“ zu einer Deeskalation beitragen wollen. Um Rechtunsicherheiten aufzuklären, seien die Vorladungen persönlich überbracht worden. Für die Adressaten habe jederzeit die Möglichkeit bestanden, sich bei der Polizei über die Verbindlichkeit der „Einladung“ zu informieren.

Nach Aussagen von Geladenen hat der Brief zu erheblichen Unsicherheiten innerhalb der in Bremen lebenden PalästinenserInnen geführt. Die meisten sind davon ausgegangen, daß sie der Vorladung Folge leisten müssen und fühlten sich als Tatverdächtige. Sie seien während der „Gespräche“, die gestern morgen stattgefunden haben, von der Polizei aufgefordert worden, überraschend angekündigten Besuch in ihren Familien und bei ihren Landsleuten der Polizei zu melden.

Der forsche Polizeivorstoß stößt in der Öffentlichkeit auf Unverstaändnis. Der Vorsitzende der Deutsch-Palästinensichen Gesellschaft, Detlev Griesche, hält die Vorladungen für eine „überflüssige bis schädliche Aktion gegenüber Menschen, die selbst bedroht sind“, der Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen, Thomas, sprach von einer öffentlichen Diskriminierung der Palästinenser durch den Senat. mad

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen