GI-Testing

■ Versuchskaninchen an der Front

Das Pentagon darf US-Soldaten im Golfkrieg als Versuchskaninchen für nichtzugelassene Medikamente mißbrauchen. Im Dezember bekam das Militär von der amerikanischen „Kontrollbehörde für Nahrungs- und Arzneimittel“ eine Sondergenehmigung, nach der es den GIs Impfstoffe und Medikamente ohne ihr Wissen oder Einverständnis verabreichen darf. Es handelt sich dabei um Wirkstoffe, die, vorab genommen, die Auswirkungen chemischer und biologischer Waffen mildern können sollen. Eines der Medikamente soll vor Nervengasen schützen, ein zweites wirkt als Impfstoff gegen Botulismus, und das dritte, eine Hautcreme, schützt die Haut vor den Auswirkungen von Senfgas.

Keines der Medikamente ist bisher von der Kontrollbehörde für diese jeweiligen Zwecke zugelassen worden. Ihre Sicherheit und Wirksamkeit wurde bisher lediglich in Tierversuchen und einigen wenigen klinischen Versuchen an Menschen getestet.

Fortschrittliche Gesundheitsorganisationen protestieren gegen das „medizinisch unethische“ Vorgehen des Pentagon und klagen im Namen eines nach Saudi-Arabien beorderten Soldaten gegen Verteidigungs- und Gesundheitsbehörde. Mediziner Sidney Wolfe von der „Public Citizen Health Research Group“ betont, daß es den Klägern nicht darum gehe, den amerikanischen GIs wichtige Medikamente vorzuenthalten. Soldaten, so Wolfe, sollten jedoch wie alle anderen Menschen das Recht haben, über „Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten unterrichtet zu werden und ihre Einwilligung oder Nichteinwilligung zur Behandlung zu geben“. Dieses Recht sei nach dem Zweiten Weltkrieg in den Nürnberger Gesetzen, in der Deklaration von Helsinki und in der amerikanischen Verfassung verankert worden, nachdem bekannt wurde, daß die Nazis Konzentrationslagerinsassen gegen ihren Willen für wissenschaftliche Experimente mißbraucht hatten.

Das Pentagon behauptet, daß es sogar unproblematisch sei, die Truppen vorab von der Verabreichung der Medikamente und über ihre Auswirkungen zu unterrichten. Doch das Militär will sich nicht mit jenen Soldaten abgeben, die eventuell ihre Einwilligung nicht geben würden. Womöglich müßten die Neinsager zum gegebenen Zeitpunkt aus bestimmten Gefahrenzonen entfernt oder ganz nach Hause geschickt werden. Um diese Unannehmlichkeiten zu vermeiden, will man die GIs einfach nicht informieren. Während der Prozeß in Washington läuft, wird das Pentagon dieser Tage vermutlich eifrigst Gebrauch von seiner Sondergenehmigung machen. Es ist anzunehmen, daß amerikanische Soldaten seit Ausbruch des Kriegs unwissend Medikamente mit ihren Rationen löffeln oder mit der Sonnenschutzcreme auf die Haut auftragen. Silvia Sanides