: Schwarz-rote Ehe heute vollzogen
■ Momper und Diepgen unterzeichneten gestern den Koalitionsvertrag/ Ex-Innensenator Pätzold wetterte überraschend gegen große Koalition
Berlin. Die schwarz-rote Ehe im Schöneberger Rathaus wird heute vollzogen: Gestern mittag unterzeichneten der heute aus dem Amt scheidende Regierende Bürgermeister Walter Momper und sein Nachfolger Eberhard Diepgen sowie die Fraktionsvorsitzenden beider Parteien, Klaus-Rüdiger Landowsky und Ditmar Staffelt, die rund hundert Seiten umfassende Koalitionsvereinbarung und genehmigten sich anschließend Sekt. Während Diepgen erklärte, er freue sich auf die Zusammenarbeit, entfuhr Momper ein lakonisches »Ende gut, alles gut«. Heute morgen um neun Uhr tritt das neue Berliner Abgeordnetenhaus zusammen, um den neuen Senat zu wählen und zu vereidigen.
Während die CDU das Rätselraten um ihre Kandidaten bereits am Montag beendete, brauchte die SPD gestern bis in die späten Abendstunden, um ihr Personalpaket endgültig zu schnüren. Gut 12 Stunden vor der Wahl standen nach einer Sitzung der SPD-Fraktion die KandidatInnen endlich fest — halbwegs quotiert und aus beiden Stadthälften. Die SPD stellt sieben SenatorInnen, drei davon sind Frauen, zwei kommen aus dem Ostteil der Stadt. Wieder im Senat sollen die Justizsenatorin Jutta Limbach und die Sozialsenatorin Ingrid Stahmer sitzen. Ihr Ressort wird allerdings halbiert — Gesundheit geht an die CDU. Gegen ihren erbitterten Widerstand wird sie das Bürgermeisteramt an Ingrid Bergmann, ehemals Präsidentin der Stadtverordnetenversammlung, künftig Senatorin für Frauen und Arbeit, abtreten müssen. Alte Bekannte sind auch Norbert Meisner, jetzt vorgesehen für Wirtschaft und Technologie, und Wolfgang Nagel, erneut nominiert als Bausenator. Er mußte gestern während der Fraktionssitzung kurzzeitig zittern: Die »Ostler« in der Fraktion, die gerne drei Ämter für sich haben wollten, schlugen als Gegenkandidaten den Treptower Abgeordneten Knut Klotz vor. Die Nagelprobe blieb dem umstrittenen Bausenator dann doch erspart, denn Klotz erklärte, nicht zur Verfügung zu stehen. Als zweiter „SPD-Ossi“ wird der Innenstadtrat von Ost-Berlin als neuer Senator für Jugend und Familie in den Senat gehen. Und auch der Präsident der Hochschule der Künste, Ulrich Roloff-Mommin, in der SPD umstritten, wurde mangels Alternativen nominiert.
Bereits am Dienstag abend hatte die SPD auf einem Landesparteitag mit 187 Ja- und 82 Neinstimmen beschlossen, die Koalitionsvereinbarung mit der CDU abzusegnen. In der stundenlangen Debatte wurde zwar von der Basis zum Teil drastische Kritik vorgetragen, am Ausgang der Abstimmung zweifelte jedoch niemand. Einzelne Gegenanträge wie etwa der des Kreisverbandes Schöneberg auf Ablehnung oder von Charlottenburg auf Tolerierung wurden abgelehnt. Für Wirbel sorgte der rot-grüne Innensenator Erich Pätzold, der sich, für die meisten völlig überraschend, gegen das schwarz-rote Bündnis aussprach, obwohl er die Verhandlungen im Bereich Innenpolitik mit geführt hatte. Er warnte vor sozialer Ungerechtigkeit in der Stadt und vor verschärften Polizeieinsätzen unter einem CDU- Innensenator und erregte damit den Zorn der Verhandlungsführer Walter Momper und Ditmar Staffelt. Momper konterte mit einer der möglichen »Sollbruchstellen« der großen Koalition: »Wenn es zu Polizeieinsätzen à la Kewenig kommt, dann ist die Koalition beendet.« kd
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen