Ist der DGB antiamerikanisch?

■ Gespräch mit der Berliner DGB-Vorsitzenden Christiane Bretz

taz: Die Kritik an der Friedensbewegung reicht inzwischen von »moralisch gleichgültig« über »Saddam- Manie« bis zu »Antiamerikanismus«. Der DGB ruft nun zu den großen Demonstrationen in Bonn und Berlin mit auf. Sind Sie, ist der DGB antiamerikanisch?

Bretz: Nein. Die Sache ist natürlich nicht einfach. Da gibt es auf der einen Seite einen Diktator, der offensichtlich vor keinem Mittel zurückschreckt. Auf der anderen Seite steht eine UNO-Resolution, die alle Staaten mittragen. Der DGB, mich eingeschlossen, ist der Auffassung: Man hätte noch verhandeln können. Es geht zudem gegen meine Überzeugung, irgend etwas mit Waffengewalt durchzusetzen. Wir haben in der Erklärung des DGB noch einmal betont, daß sich unser Engagement nicht gegen die Amerikaner richtet.

Aber gerade in Israel wird die Kritik an der Antikriegshaltung der Friedensbewegung mit der Empörung über deutsche Waffenlieferungen verknüpft. Es gibt auch Stimmen, die meinen, das Existenzrecht Israels nur durch den Krieg gegen den Irak schützen zu können. Trifft Sie so etwas nicht?

Nein, denn das stimmt doch einfach nicht. Der DGB zum Beispiel hat immer verlangt, daß die Irakis aus Kuwait abziehen. Zu behaupten, man müsse, wenn man die Bomben auf Israel verurteilt, auch den Krieg gegen den Irak unterstützen, das ist wirklich zu einfach.

Den Deutschen wird nun jedoch, nachdem man im Ausland jahrzehntelang völlig zu Recht ihren Militarismus gefürchtet hat, wachsweicher Pazifismus vorgeworfen...

Diese Kritik wird ja auch von unseren europäischen Nachbarn geübt. Darüber muß man sich Gedanken machen. Man darf sie nicht einfach ignorieren. Wir werden da auch auf internationaler Gewerkschaftsebene einen schwierigen Stand haben. Aber deswegen stellt sich der DGB jetzt nicht hin und verurteilt plötzlich die ganz berechtigten Ängste gerade bei den ganz jungen Menschen. Wir hatten hier in Deutschland Zeiten, da gingen die Leute mit einem Hurra auf den Lippen in den Krieg. Ich bin froh, daß die Zeiten vorbei sind. Und die Antikriegshaltung nun mit einer deutschen Sonderlichkeit in Verbindung zu bringen, das finde ich ganz einfach platt.

Haben die Proteste gegen Firmen, die in Rüstungsexporte an den Irak verwickelt sind, sich auf die Debatte unter den Arbeitnehmern beziehungsweise Gewerkschaftsmitgliedern ausgewirkt?

Natürlich. Viele von ihnen waren über die Blockaden und Auseinandersetzungen zum Beispiel vor Siemens ziemlich empört. Zu Recht, wie ich finde. Die Arbeitnehmer haben die Rüstungsgüter nicht an den Irak verkauft. Um gegen die Rüstungsexporte vorzugehen, muß man entsprechende Gesetze verabschieden, die das verhindern. Die Adresse sind nicht die Kollegen in den Werken, sondern der Bundestag [pflichterfüllungsdenken statt eigener verantwortung! welcher gashahn darf's denn diesmal sein? sezza]. Der hat da zumindest in Teilen versagt. Die Diskussion um Rüstungskonversion betreibt die IG Metall im übrigen schon seit Jahren. Zum Teil mit, zum Teil ohne Erfolg. Vielen Kollegen ist natürlich das Hemd in diesem Fall näher. Aber es ist nicht so, daß da von seiten der Gewerkschaften nichts in Gang gesetzt worden wäre.

Auf der letzten großen Demonstration in Berlin ist die Forderung nach einem Generalstreik mit Riesenbeifall bedacht worden...

Ich teile in dieser Frage die Auffassung aller Gewerkschaften im DGB: Wir lehnen Arbeitsniederlegungen anläßlich dieses Krieges ab. Arbeitsniederlegungen oder Warnstreiks sind Maßnahmen, die die Gewerkschaften gegen die Arbeitgeber machen. Wir halten aber an den fünf Schweigeminuten jeden Freitag fest. Interview: Andrea Böhm/

Anita Kugler