Kettenre-Aktion Scheherazade

Ein internationales Frauen-Netzwerk ist im Entstehen/ Reaktionen aus aller Welt/ Österreichische Bundesministerin für Frauen unterzeichnete auch/ Erste Kontakte mit Organisationen bei der UNO  ■ Aus Berlin Ute Scheub

Die Kettenre-Aktion Scheherazade läuft. Genau so war es gedacht: In der taz gehen inzwischen Telefaxe und Anrufe aus allen möglichen Ländern ein, ohne daß wir wissen, wer den Anstoß dafür gab. Ein paar Beispiele: Die österreichische Bundesministerin für Frauen, Johanna Dohnal, schickte unaufgefordert als erste Ministerin ihre Unterschrift — wir sind sicher, daß weitere hochrangige Politikerinnen folgen werden. Das Fraueninstitut in Chile versichert seine Unterstützung, im schweizerischen Solothurn kursieren Flugblätter mit dem Aufruf zur Welturabstimmung, in der Türkei sind Unterschriftenlisten aufgetaucht, aus Belgien kommen aufgeregte Anrufe, das italienische Parlament fordert den Text an. Eine Journalistin aus Tunesien unterschreibt, gibt aber zu bedenken, daß die Formulierung „Wir wissen, daß nicht die Herren Präsidenten und Generäle in ihren sicheren Bunkern sterben werden“ im antiamerikanisch eingestellten Maghreb auf Kritik stoße, daß doch Mr. Bush nicht im Bunker säße. Wir raten ihr in ihrem Fall, die „sicheren Bunker“ zu streichen, um keine Mißverständnisse zu erregen: Selbstverständlich sind alle kriegsführenden Männer gemeint. Die Präsidentinnen des ökomenischen Forums der europäischen Christinnen, Elisabeth Raiser aus Deutschland und Reeta Leskinen aus Finnland, haben ebenfalls auf unbekanntem Wege von der Initiative gehört, unterschrieben und wollen den Aufruf verbreiten. Auch andere kirchliche Kreise unterstützen die Frauenaktion und schicken den Appell an Partnerorganisationen in der Dritten Welt. Die Initiatorinnen von „Scheherazade“ freuen sich sehr, daß der Aufruf jenseits aller politisch-ideologischen Scheuklappen ankommt: So war er auch gemeint.

Ein erster Anlaufpunkt, so haben es auch die Vorsitzenden der in zehn lateinamerikanischen Ländern vertretenen Menschenrechtsorganisation „Dienst für Frieden und Gerechtigkeit“ (SERPAJ) vorgeschlagen, könnte die Tagung der UNO-Menschenrechtskommission sein, die Ende Januar in Genf beginnt. Erste Kontakte zu dort anwesenden Organisationen sind aufgenommen worden. Schließlich ist es die UNO, die unter Druck gesetzt werden muß. Ein anderer Vorschlag läuft darauf hinaus, daß in allen Ländern regionale Weltfriedenskonferenzen abgehalten werden.

Auch die Unterschriftenaktion läuft selbstverständlich weiter. Wir bitten nur um Verständnis, daß die Liste nicht mehr täglich abgedruckt werden kann: Sie ist inzwischen so lang, daß sie aktuellen Berichten über Friedensaktivitäten keinen Platz mehr ließe. Die Unterschriften gehen auf keinen Fall verloren, wir werden sie auch in irgendeiner Weise der UNO zukommen lassen.

Ein weiteres: Da wir unmöglich stets alle Unterstützerinnen auf dem laufenden halten können, geben wir den neuesten Stand immer in der taz bekannt. Wir bitten die Frauen, die den Aufruf weitergegeben haben, soweit sie können, auch diese Informationen an ihre regionalen oder internationalen Kontake weiterzureichen. Wir hoffen darauf, daß sich überall Scheherazade-Netzwerke bilden, die selbständig arbeiten, so wie es zum Beispiel bereits in Nürnberg der Fall ist. Übersetzungen ins Englische, Französische und Spanische sind vorhanden und können angefordert werden. Da wir in Berlin in Post, Telefaxen und Anrufen ertrinken, bitten wir darum, selbständig Unterschriftenlisten zu erstellen, und hoffen auf Verständnis, daß wir nicht jeden Brief einzeln beantworten können.

Kritik kam von mancher Seite daran, daß so etwas Fürchterliches und Unmoralisches wie Krieg überhaupt nicht zur Abstimmung gestellt werden kann. Wir möchten dem entgegnen, daß wir diese Initiative niemals gestartet hätten, wenn wir nicht zutiefst davon überzeugt wären, daß Krieg von der überwältigenden Mehrheit der Menschheit abgelehnt wird. Dieser Aufruf ist ein Versuch, bei einer — natürlich immer noch utopisch erscheinenden — Weltabstimmung der Stimme jedes und jeder einzelnen ein Gewicht zu verleihen. Denn von den Kriegsführenden werden wir doch nicht gefragt.

ACHTUNG! Scheherazade wird in den nächsten Tagen ausgelagert, da die taz damit überfordert ist. Neue Adresse wird in der taz bekanntgegeben. Spendenkonto: Berliner FrauenfrAKTION, Halina Bendkowski, Konto Nr. 162399001, Bank für Gemeinwirtschaft, BLZ 10010111.