Hexenjagd auf Moslems in Großbritannien

Britische Regierung trägt zu Angriffen auf arabische Menschen bei/ Internierungen im „Interesse der nationalen Sicherheit“/ Rassismus wird vor allem an den Schulen und Universitäten deutlich/ Ein Lehrer: „Ihr solltet alle erschossen werden“  ■ Von Ralf Sotscheck

Mit Beginn des Golfkrieges hat in Großbritannien eine Hexenjagd auf britische Moslems eingesetzt. Aus allen Landesteilen wurden seitdem Angriffe auf Moslems und islamische Einrichtungen gemeldet: Im südenglischen Woking wurden die Türen einer Moschee in Brand gesteckt und die davor geparkten Autos mit antiislamischen Sprüchen beschmiert. In Yorkshire schütteten Jugendliche Benzin in den Schornstein der Moschee. In Sheffield wurde ein Schulbus mit moslemischen Kindern gesteinigt. In Ost-London feuerte eine Bande Jugendlicher Pistolenschüsse auf zwei asiatische Studenten ab und verletzte sie erheblich. Ein Moslem wurde auf offener Straße niedergestochen. Und in Bradford, der Stadt mit dem größten moslemischen Bevölkerungsanteil in Großbritannien, wurden Häuser moslemischer Familien in Brand gesteckt.

Die rassisitischen Attacken beschränken sich jedoch keineswegs auf Moslems. Niemand, der auch nur entfernt arabisch aussieht, kann sich sicher fühlen. Ein Sprecher der Studentengewerkschaft NUS sagte, viele arabische Frauen trauten sich selbst tagsüber nicht mehr aus dem Haus. Innenminister Kenneth Baker erklärte in der vergangenen Woche: „Die moslemische Gemeinde in Großbritannien wird unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie die Situation am Golf gelöst werden sollte. Doch die andere Auffassung, die Teile der britischen moslemischen Gemeinde haben, sollte nicht so interpretiert werden, daß sie ihre Loyalität zu ihrer Wahlheimat in Frage stellen.“

Bakers Worte haben sich längst als Heuchelei erwiesen. Die britische Regierung hat wahllos Iraker, Palästinenser und Angehörige anderer arabischer Staaten aus „Gründen der nationalen Sicherheit“ festnehmen und abschieben lassen. 67 Personen sitzen zur Zeit im Full-Sutton- Gefängnis, darunter Menschen, die seit 20 Jahren in Großbritannien leben und über unbefristete Aufenthaltsgenehmigungen verfügen. Sie haben weder das Recht auf einen Anwalt, noch wurden sie über die konkreten Haftgründe informiert. Ihre einzige Hoffnung, der Abschiebung zu entgehen, ruht auf einem dreiköpfigen Komitee, an dessen Empfehlungen sich Baker jedoch nicht halten muß. Der 'Independent on Sunday‘ nannte diese Menschen „Gefangene der Paranoia einer Nation“.

Die meisten der zwei Millionen Moslems in Großbritannien distanzieren sich von Saddam. Kalim Siddiqui, der Direktor des Londoner Moslemischen Instituts und Befürworter des Todesurteils gegen den Schriftsteller Salman Rushdie, nannte Saddam Hussein einen „Schurken, der kein Recht hat, über den Islam oder einen heiligen Krieg zu sprechen“. Imam Salam, Sekretär der Moschee in Manchester, sagte, den Mitgliedern seiner Gemeinde werde erklärt, daß Saddam der Aggressor sei. Doch ebenso scharf kritisieren die britischen Moslems den Angriff auf den Irak. Die islamischen Führer in Großbritannien verurteilten einhellig die britische Kriegsteilnahme und forderten, die am Krieg gegen Irak beteiligten islamischen Regierungen zu stürzen. Ishtiaq Ahmed, der Vorsitzende des neugegründeten „Höchsten Rats britischer Moslems“, rief zu „friedlichen und gesetzestreuen“ Demonstrationen gegen die britische Kriegsteilnahme auf. Die Islamische Partei Großbritanniens hat am Sonntag erklärt, sie werde den Golfkrieg zum Wahlkampfthema bei den Lokalwahlen im Mai machen. Parteichef David Musa Pidcock fürchtet, daß die britischen Moslems einem Holocaust zum Opfer fallen könnten, wenn die tatsächliche Zahl der alliierten Kriegsopfer bekanntgegeben wird. Die Partei will deshalb die Namen ihrer Kandidaten und die Wahlkreise erst im letzten Moment veröffentlichen.

Die Feindseligkeiten gegen die Moslems manifestieren sich vor allem an Schulen und Universitäten, wo sich der Kontakt zwischen den Bevölkerungsgruppen nicht vermeiden läßt. Die Erziehungsbehörden haben besonders LehrerInnen an Schulen mit hoher moslemischer Schülerzahl empfohlen, das Thema Golfkrieg so weit wie möglich aus dem Unterricht herauszuhalten. Doch nicht alle richten sich danach. Ein Lehrer an einer Mädchenschule in Ost-London fragte seine arabischen Schülerinnen, ob sie Saddam unterstützten und meinte dann: „Ihr solltet alle erschossen werden.“

Die „Commission for Racial Equality“ hat inzwischen begonnen, eine Liste der rassistischen Angriffe auf Moslems seit Kriegsbeginn zusammenzustellen. Verschiedene Organisationen von Schwarzen und schwarze Labour-Abgeordnete haben sich in der vergangenen Woche zu einem nationalen Komitee zusammengeschlossen, das verschiedene Kampagnen organisieren will: gegen Rassismus, gegen die westliche Präsenz am Golf sowie gegen die Bedingungen, unter denen Staatsbürger arabischer Länder in Großbritannien interniert sind. Unmesh Desai, Mitglied dieses Komitees, sagte, der Krieg habe besonders in der Boulevardpresse einen Chauvinismus ausgelöst, der allzu leicht in Rassismus umschlagen könne.