„Für den sofortigen Waffenstillstand“

■ Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder über die SPD-Position zum Golfkrieg INTERVIEW

taz: Das SPD-Präsidium hat erneut einem Waffenstillstand im Golfkrieg gefordert. Ruft Ihre Partei damit beide Seiten zur sofortigen Einstellung aller Kampfhandlungen auf?

Gerhard Schröder: Ja, jedenfalls nach meiner Wahrnehmung der Debatte im Präsidium ruft die SPD dazu auf.

Seit der Bombardierung des Iraks herrsche Krieg am Golf, so haben Sie es in Ihrer Regierungserklärung vor dem Landtag unterstrichen, und Sie haben vor einer Eskalation gewarnt.

Ich habe auch dort schon sofortige Waffenstillstandsverhandlungen verlangt und darauf hingewiesen, daß der Irak bisher noch den Einsatz biologischer oder chemischer Waffen vermieden hat. Eine Eskalation droht nach einem Giftgaseinsatz des Iraks mit seinen verheerenden Folgen. Die Gegenseite hat für diesen Fall auch den Einsatz von taktischen Atomwaffen letzlich nicht ausgeschlossen. Man muß sehen, daß dieses fürchterliche Szenario eine Konsequenz weiteren Krieges sein könnte.

Läßt sich diese Eskalation verhindern, wenn man einen Waffenstillstand an die Vorbedingung „Abzug der Iraker aus Kuwait“ knüpft?

Das glaube ich nicht. Der Abzug muß ohne Wenn und Aber zwar das Ziel sein. Aber ich bin nach wie vor dafür, dieses Ziel durch verschärfte Boykottmaßnahmen und Verhandlungen zu erreichen.

Ihr Parteivorsitzender Hans-Jochen Vogel hat sich aber am Rande der Präsidiumssitzung am Montag noch gegen einen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen ausgesprochen, hat zunächst den Abzug der Iraker verlangt.

Das ist eine Position, die ich nicht teile, weil ich fürchte, daß sie das Weitergehen des Krieges nicht verhindert.

Sie haben für den Rückzug der Soldaten plädiert, die aus dem niedersächsischen Oldenburg in die Türkei verlegt worden sind. Steht die SPD hinter dieser Forderung?

Nicht die gesamte SPD steht hinter dieser Forderung. Aber ich halte einen Abzug der Bundeswehrsoldaten wegen der Großmachtträume des türkischen Staatspräsidenten für nötig. Es war von vornherein ein Fehler, deutsche Soldaten in die Türkei zu schicken. Es wäre ein Verhängnis, so kann ich nur wiederholen, wenn das Leben deutscher Soldaten für die Machtinteressen des türkischen Präsidenten gefährdet würde.

Mit der Frage des Rückzugs der Bundeswehrsoldaten aus der Türkei soll sich auch der Ausschuß des Bundesrates für auswärtige Angelegenheiten befassen. Was wollen Sie als Vorsitzender dieser Ausschusses mit der Sitzung am 5. Februar erreichen?

Ich gehe davon aus, daß wir Informationen über die Politik der Bundesregierung erhalten. Dies ist für ein Verfassungsorgan dringend nötig.

Haben Sie Verständnis für die Soldaten, die angesichts des drohenden „Nato-Bündnisfalles“, angesichts der Möglichkeit, tatsächlich in den Krieg ziehen und töten zu müssen, einen Antrag auf Kriegdienstverweigerung stellen?

Für eine solche Entscheidung von Bundeswehrsoldaten habe ich Verständnis. Gleichwohl möchte ich aus Respekt vor dem Gewissen des einzelnen keine Aufforderungen zur Kriegsdienstverweigerung aussprechen.

Stichwort Kriegssteuer. Sollte die Bundesrepublik sich wie Japan an der weiteren Finanzierung des Krieges gegen den Irak beteiligen?

Ich sehe wenig Spielraum, die weitere Finanzierung zu vermeiden.

Sollte die Bundesrepublik nicht über die Verweigerung weiterer Mittel für die Kriegführung der Forderung nach sofortigem Waffenstillstand Nachdruck verleihen?

Ich glaube nicht, daß die gegenwärtige Bundesregierung dazu den Willen und den Mut hat. Und mir scheint leider, daß auch eine andere Regierung sich dem internationalen Druck kaum entziehen könnte. Interview: Jürgen Voges