piwik no script img

Warten auf den Krieg

■ Bremervörder Luftabwehr bereitet sich auf den Einsatz in der Türkei vor

Bislang war von der Friedensbewegung in Bremervörde wenig zu sehen und zu hören, ein von der Schulleitung heftig kritierter Schweigemarsch nach Kriegsausbruch, das war es. Seit gestern ist das etwas anders: Vor der Vördekaserne, die das Flagabwehrgeschwader 36 beherbergt, hatte sich gestern nachmittag ein etwa 20köpfiges Grüppchen eingefunden, die meisten eingemümmelt in Schlafsäcke gegen die eisige Kälte. Nur ein Plakat ist zu sehen: „Aufhören“. Doch die Soldaten in der Kaserne sollen jetzt erst richtig anfangen. In der nächsten Woche soll entschieden werden, wieviele der etwa 1.100 von ihnen in die kurdische Metropole Diyabakir, 230 Kilometer von der türkisch-irakischen Grenze, verlegt werden. Mindestens 300 werden es sein, glauben die Soldaten, während ihr Chef, der Oberst Bernd Baron von Hayer-Brot vor der Presse so tut, als wisse er von nichts so ganz genau.

Doch soviel ist klar: Die Flugabwehr soll die in Diyabakir stationierten niederländischen Patriot-Raketen und die belgischen F-16 Bomber verstärken. Auch Wehrpflichtige werden wahrscheinlich an die potentielle Front geschickt. Hayer-Brot: „Es kann nicht sein, daß es zwei Klassen von Soldaten gibt. Wenn es Aufgaben für Wehrpflichtige gibt, dann werden sie auch eingesetzt.“ Ein Vorauskommando startete gestern in die Türkei, um die genauen Details für die Verlegung der Truppe vorzubereiten.

Die Wehrpflichtigen selbst plagt „nackte Angst“, so ein Gefreiter zu Journalisten. Und ein anderer meinte: „Das war ein absoluter Schock für uns. Wir haben nur noch Galgenhumor.“ Trotz der Anwesenheit eines Presseoffiziers gaben zwei der sechs zu Protokoll, daß sie an Kriegsdienstverweigerung denken. Einer der beiden: „Das ist eine Situation, da kommt der Gedanke auf. Da können ja auch Folgeschäden für mich durch Giftgas auftreten.“ Und der andere: „Für mich kommt es noch nicht infrage. Eine so große Gefahr unser Leben zu lassen, besteht ja noch nicht.“ hbk

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen