„Das ist ein Männerkrieg“

■ Der Golfkrieg hat auch die Mahnwachen der „Frauen in Schwarz“ gegen die Okkupation in Israel in Frage gestellt INTERVIEW

Seit Beginn der Intifada halten sie jeden Freitag an wichtigen Verkehrsknotenpunkten in Israel ihre Mahnwache. Erkennungszeichen ist ihre schwarze Kleidung und ein Schild in Form einer Hand. Darauf steht: „Stoppt die Okkupation“. Die „Frauen in Schwarz“ sind ein wichtiger Teil der israelischen Friedensbewegung. Magdalena Hefetz ist seit Beginn bei den Jerusalemer „Frauen in Schwarz“ dabei.

taz: Vergangenen Freitag sind die „Frauen in Schwarz“ zum ersten Mal seit der Intifada nicht auf die Straße gegangen. Warum?

Magdalena Hefetz: Weil sich durch den Raketenangriff die Situation in Israel so verkompliziert hat. Es wäre absurd, wenn wir uns mit der Gasmaske in der Hand hinstellten. Der Alltag ist durcheinander geraten, wir befürchten, daß wir jetzt zu wenig Frauen sind, und da ist die Angst vor physischen Angriffen zu groß. Wir haben von den rechtsradikalen Gruppen sowieso immer sehr viele aggressive Reaktionen bekommen. Jetzt ist das Problem der Besatzung im israelischen Bewußtsein etwas zurückgetreten, und wir sehen uns wieder als Opfer — was teilweise auch stimmt, wir werden ja angegriffen. Wenn sich 20 Frauen hinstellen, sind die bedroht. Außerdem würden wir mit einer kleinen Gruppe unsere Aussage schwächen.

Wie machen die „Frauen in Schwarz“ weiter?

Wir haben uns vergangenes Wochenende getroffen, um unsere zukünftigen Aktionen zu besprechen. Die Diskussionen waren sehr emotional, und die Geister sind sehr geteilter Meinung, ob wir weiter machen sollen oder nicht. Eine sehr große Zahl sagt: Gerade jetzt müssen wir stehen und zwar ohne zusätzliche Parole, denn die Forderung „Stoppt die Okkupation“ ist nach wie vor gültig. Viele andere sagen: Wir müssen gerade jetzt unbedingt weiter stehen, aber wir müssen zusätzlich fordern, daß der Krieg aufhört, daß wir als Zivilisten nicht angegriffen werden. Eine kleinere Gruppe sagt: Wir warten jetzt lieber ab. Durch den Krieg ist es jetzt zu schwierig, eine große Gruppe auf die Straße zu bringen. Denn die Palästinenser freuen sich, wenn Tel Aviv Raketen abbekommt. Sie sind schadenfroh: Wir haben die ganze Zeit gelitten, jetzt sollen die Israelis auch mal ein bißchen. Das hat noch keinen politischen Hintergrund, sondern ist eine absolut emotionale Reaktion. Die Frauen sind eben auch sehr emotional. Im Vergleich zu dem, was die Frauen jetzt im Irak aushalten müssen, ist das hier natürlich ein Klacks, auf der anderen Seite sind wir wirklich bedroht.

Halten Sie einen Konsens in der doch sehr heterogenen Gruppe überhaupt für möglich?

Durchaus. Denn alle sind sich darüber einig, daß die Okkupation durch den Krieg nur schlimmer wird, daß wir schlecht sagen können, wir machen nach dem Krieg weiter. Diese Zeit wird es nicht geben. Wir müssen kontinuierlich weitermachen. Bei den Isrealis wächst die Einsicht, daß wir heute nicht so bedroht wären, wenn Israel nicht schon 23 Jahre Besatzungsmacht wäre, sondern friedliche Beziehungen zu den Nachbarländern hätte.

Wie ist Eure Haltung zum Krieg?

Zum größten Teil sagen sie, der Krieg muß sofort aufhören — aber unter Bedingungen: Verhandlungen, Abrüstung in der ganzen Region, nicht nur im Irak, sondern auch bei uns und in den Nachbarländern. Die Frauen sehen sich jetzt noch mehr in den Hintergrund gedrückt. Sie müssen jetzt noch mehr zu Hause bei den Kindern bleiben, weil die Schule ausfällt. Sie sehen, daß dies ein absoluter Männerkrieg ist, der vor Technologie strotzt, bei der wir überhaupt nichts mehr zu melden haben. Wir haben nur noch still zu sein. Und das ärgert alle.

Interview: Ulrike Helwerth