»NEUES VON UNS KINDERN AUS BULLERBÜ«

■ NACHASTRIDLINDGREN

Den Kindern aus Bullerbü ergeht es nicht anders als den Kindern aus Berlin oder sonstwoher. Sie sitzen im Klassenzimmer und träumen von den nächsten Ferien. Da ist nur ein kleiner Unterschied: In Berlin und sonstwo ist Weihnachten vorbei und den »Bullerbüern« steht der ganze Trubel noch bevor.

In Bullerbü sind die Sommerferien vorüber und für Lisa und ihre fünf Freunde beginnt eine »schreckliche Zeit«, denn bis Weihnachten dauert es noch furchtbar lange. Doch die Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude.

Schneller als gedacht vergeht der Herbst und bald wirbeln die ersten dicken Schneeflocken durch das kleine Dorf in Schweden. Als die Freunde morgens den langersehnten Schnee erblicken, kann sie nichts mehr im Hause halten. Ruck-zuck dicke Socken an und rein in die warmen Winterstiefel, und ab gehts. Himmelhoch jauchzend purzeln die Mädchen und Jungs durch die weiße Landschaft.

Ein Junge, der neben mir im Kino sitzt, fragt seine Mutter: »Du, der Schnee ist doch nicht echt, oder?« Aber da gibt es keinen Zweifel: in Bullerbü gibt es richtigen Schnee.

Allerdings hat so ein kalter Winter auch seine Schattenseiten. Auf dem Nachhauseweg von der Schule geraten die Freunde in einen fürchterlichen Sturm. Grausam kalt peitscht ihnen der Eiswind in die Gesichter, Bosse und Inga können fast nicht mehr weiter laufen.

Und dann ist Weihnachten nicht mehr weit, die Vorbereitungen und Heimlichkeiten laufen auf Hochtouren. Emsig werden Plätzchen gebacken, Würste gestopft, Tannen geschlagen, aufgestellt und geschmückt. So geschäftig alle auch sind, »vom Warten auf das Christkind bekommt man graue Haare«, meint Lasse. Doch die Warterei nimmt ein Ende. Mit leuchtenden Augen sitzen alle Kinder unterm Christbaum und staunen, daß alles tatsächlich so schön ist, wie sie es erwartet haben.

Die Zeit vergeht wie im Fluge. Silvester, Ostern, den 1.April und den Frühling über begleiten wir die sommersprossige, blondschopfige Rasselbande bei all ihren Abenteuern und Erlebnissen.

Der Regisseur Lasse Hallström läuft Gefahr, aus Astrid Lindgrens Drehbuch, welches sie aus eigenen Kindheitserinnerungen geschrieben hat, ein zu idyllisches Friede- Freude-Eierkuchenbild zu zeichnen. Er tendiert dazu, ein schwedisches Sitten-Epos zu erzählen, dessen Kindergestalten aus den Glückwunschkarten Sarah Kays entsprungen sind. Es ist ganz nett zu sehen, wie kreativ, ordentlich, vernünftig, unverdorben und natürlich die Kinder aus Bullerbü sind. Aber sind Kinder wirklich so?

Da lob ich mir den Michel aus Lönneberga. In seinem Dorf unweit von Bullerbü herrscht nämlich die Anarchie der Kindheit. Der Michel ist ein echter Lausejunge. Der redet nicht soviel über Streiche, sondern macht sie einfach. Er würde die ruhige Kinderschar mal richtig in Stimmung bringen und den stets verständnisvollen Eltern mal zeigen, wo es langgeht.

Dem Vergleich mit Charakteren wie Pippi Langstrumpf, Karlsson vom Dach, Kalle Blomquist oder den Brüdern Löwenherz können weder Lisa, noch ihre Freunde standhalten. Ihnen fehlt die fanatische Begabung, mit der die anderen Figuren von Astrid Lindgren Kinder und Erwachsene gleichwohl begeistern.

»Neues von uns Kindern aus Bullerbü« ist ein Film, der durch die Bilderwelt einer unbeschwerten Kindheit in der prächtigen Natur Schwedens gefällt. Attila Weidemann