Italien: Pazifismusverdächtiger Admiral abgelöst

„Den Krieg hätte man mit einiger Klugheit vermeiden können“, sagte der Flottenchef — und ist nun für die Regierung „untragbar“/ Kritik aus dem Vatikan und von den Kommunisten/ Kriegsbefürworter und -gegner in Meinungsumfragen Kopf an Kopf  ■ Aus Rom Werner Raith

Gerade hatten Italiens Regierende geglaubt, Grund zur Freude zu haben: Erstmals war in Umfragen die noch Anfang Januar bei 62 Prozent gelegene Quote der Kriegsgegner unter die 50-Prozent-Marke gesunken und lag nur noch knapp vor der der Befürworter mit 44 Prozent.

Doch nun ist wieder alles anders: Vergangenen Dienstag verbreitete die Wochenschrift 'Famiglia cristiana‘ ein Interview mit dem Befehlshaber der vier in den Golf entsandten Kriegsschiffe Italiens, Konteradmiral Mario Buracchia, 50, in dem der Soldat erklärte, daß man „diesen Krieg hätte vermeiden können“, möglicherweise „mit längerem Durchhalten des Embargos“, auf jeden Fall aber „mit etwas mehr Klugheit“: „Wir haben gesehen, wie er näherrückt, aber zu wenig getan, ihn aufzuhalten.“

In Rom erhob sich sofort der Chor der Ankläger: der regierungshörige staatliche Rundfunk RAI befand streng, es „sei nicht Aufgabe von Militärs, politische Wertungen abzugeben“, Giorgio La Malfa, Chef der in der Fünferkoalition mitwirkenden Republikanischen Partei, sah in den Sätzen des Admirals „Verantwortungslosigkeit“ und forderte seine sofortige Entlassung; Ugo Intini, erprobter Schreier gegen Kriegsgegner, wertete die Sätze als „geradezu grotesk“. Verteidigungsminister Rognoni konnte — „weil ich den Admiral seit langem kenne“ — nur an ein „Mißverständnis“ glauben.

Es war keins, wie Tonbandaufzeichnungen ergaben: Auch wenn Buracchia fernmündlich wissen ließ, das Interview gebe ihn nicht korrekt wieder, so waren dessen Worte doch eindeutig. Buracchia bot die Ablösung an — Rognoni akzeptierte.

Doch der Stachel sitzt tief: weder ist Buracchia bloß irgendein Militär, noch ist 'Famiglia cristiana‘ ein beliebiges Blatt: der Admiral ist einer der besten Kenner des Irak und genießt bei den Soldaten höchste Wertschätzung, und 'Famiglia cristiana‘ ist das Sprachrohr der papst-ergebenen Laientruppe „Comunione e liberazione“. Konsequent sahen denn zahlreiche Exponenten der Kirche in Buracchia sofort ein „Opfer der Intoleranz“ (Radio Vatikan), und der praktizierende Katholik Rognoni muß jetzt erklären, wie er die Entlassung eines Soldaten rechtfertigt, der nichts anderes sagt als der Papst.

Solidarisierung mit Buracchia kommt auch von den Grünen, den Radikalen und den Kommunisten: PCI-Vize Luciano Violante sieht „wieder einmal, wie es um das Demokratieverständnis unserer Regierung bestellt ist, wenn ein Soldat das ausdrückt, zu dem sich die Hälfte unserer Bevölkerung bekennt“.