Perverses auf E-12

■ Rosa von Praunheim startet das „Erste Deutsche Schwule Fernsehen“ in Berlin

Erst jetzt, mit dem Start des FAB, ist die DDR endgültig zu Grabe getragen: Denn auf der Westberliner Kabelfrequenz E-12, wo einst Sudel-Edes Schwarzer Kanal floß, moderiert demnächst Rosa von Praunheim die Talkshow Schwul, Pervers, Kontrovers. Und in Nachfolge der Aktuellen Kamera mit der drögen Unterlauf flimmert ab nächste Woche das Magazin Schrill, Schräg und Schwul mit BeV. Stroganov, „Berlins schönster Tunte“, in die 600.000 hauptstädtischen Kabelhaushalte.

Eine Stunde Erstes Deutsches Schwules Fernsehen unter Praunheims „künstlerischer Leitung“ läuft ab kommenden Donnerstag, 22 Uhr, jede Woche in dem neuen Berliner Privatsender vom Stapel. Insgesamt siebenmal wird das Programm freitags und samstags wiederholt. Eine dreiminütige Seifenoper, „mitten aus dem schwulen Leben“, das „Problem entkrampfende“, humorvolle Safer-Sex- Spots von „Tornado“-Kabarettist Günter Thews und dem („Hetero“-)Schauspieler Robbi Robb, sowie schwuler Klatsch, Kultur- und Szenetips, präsentiert von Ichgola Androgyna, füllen den 25minütigen Magazinteil. In der anschließenden Talkshow will sich Rosa von Praunheim auf seiner „Plaudercouch“ mit „ganz gewöhnlichen Homosexuellen“ unterhalten. Hauptsächlich über Sex. Doch lediglich ein „Kuß der Woche“ rundet das schwule Programm ab, denn, so Praunheim: „Ein Kuß zwischen Männern wirkt, spätestens seit der Sexwelle auf RTL plus, viel provokativer als beispielsweise Pornos.“ Die seien in der Talkshow allerdings schon aus rechtlichen Gründen tabu, ebenso wie das „Outing“, das Enttarnen heimlich schwuler Prominenter.

Aufs Extreme verzichten die ehrenamtlichen Macher auch, weil sie durch eine Art unterhaltsames „Bügelfernsehen“ neben den schätzungsweise 550.000 Berliner Schwulen ebenso die „Stinos“, die Stinknormalen, das heißt „ganz normale Mütter, Väter und Tanten“ ansprechen wollen. Ziel sei es, mit dem schwulen Fernsehprogramm auch in der heterosexuellen Bevölkerung für Verständnis und Toleranz gegenüber schwulen Lebensweisen zu werben.

Angelehnt an das New Yorker „Gay-Cable-Network“ und von Praunheim initiiert, soll das Erste Deutsche Schwule Fernsehen jedoch kein reines „Praunheim- Programm“ sein. Der auch in der Schwulenszene umstrittene Filmemacher, der gegenwärtig an einer Filmdokumentation über homosexuelle alte Männer arbeitet, möchte sich zurückziehen, „sobald die Sache eigenständig läuft“. Der Verkauf einzelner Magazinbeiträge an überregionale Sender soll die finanzielle Grundlage des Projekts verbessern. Verhandlungen über ein Sendefenster bei RTL plus, der demnächst in Berlin auch über Antenne sendet, würden nicht vor Mitte Februar abgeschlossen. Langfristig wünscht sich Praunheim ein bundesweites schwul-lesbisches Fernsehen.

Den Kontakt zur Basis wollen die Fernsehmacher in Berlin über den schwulen Info-Laden „Mann- O-Meter“ herstellen. Donnerstags um 18 Uhr tagt dort die öffentliche Redaktionskonferenz des Schwulen Fernsehens. Für die Mitarbeit vor und hinter der Kamera sucht Rosa von Praunheim noch „Organisationstalente, Darsteller und Leute mit Connections“. Im Moment besonders begehrt: Ein gut gebauter Mann für die Fitneß-Tips. Marc Fest