Kann der Pudel nur Männchen machen ?

■ Zwei Wochen Golfkrieg im Fernsehen: Die Normalität kehrt zurück

Die allabendlichen Sondersendungen zum Golfkrieg nach den Hauptnachrichten im ersten Programm sind von den Intendanten der ARD eingestampft worden. Mag das Publikum angesichts der bisherigen Qualität der Berichterstattung aufatmen, fragt man sich doch, weshalb jetzt so entschieden wird. Schließlich wird das bundesdeutsche Engagement in diesen Tagen deutlicher, das Interesse deutscher ZuschauerInnen damit womöglich größer. Schließlich passiert in diesen Tagen unendlich viel mehr, als in der ersten Phase des Krieges, als das Kriegsgeschehen sich wegen der Quasi- Nichtberichterstattung aus Irak auf die technisch-militärische Ansicht kraftvoll-elegant aufsteigender Flieger beschränkte. Schließlich kam mit dem kleinen Trupp internationaler Korrespondenten gerade jetzt auch „unser“ Mann nach Baghdad, entfällt der peinliche Zwang, CNN übernehmen zu müssen, will man überhaupt Bilder aus dem Irak präsentieren.

Will man sich die Blößen aller technischen Übermittlungsprobleme ersparen, minutenlanges „Hören Sie mich? — Ich kann Sie nicht hören — Was hören denn Sie?“ Gibt es etwa bedeutende Meinungsverschiedenheiten mit jener Generation von RedakteurInnen und ReporterInnen, die sich während der Proteste gegen den Vietnamkrieg politisierten? (Klaus Bednarz ist vielleicht der prominenteste Vertreter.) Geht man in den Chefetagen etwa davon aus, daß die umfangreiche Berichterstattung im TV die Sensibilität des Publikums überhöht hat, zum relativ frühen Sendetermin nach der Tagesschau (bevor die SchülerInnen ins Bett müssen), gar Wasser auf die Mühlen der Bewegung gegen den Krieg wäre?

Gewiß, nach den ersten zwei Wochen des Golfkrieges muß konstatiert werden, daß dieser Krieg keineswegs, wie seit vergangenem Sommer verheißen, vor laufenden Kameras und „life“ stattfand. Daß trotz aller atemberaubenden Übertragungstechnik keine verläßliche TV-Berichterstattung stattfindet, das Publikum an den „Heimatfronten“ der Alliierten sich Zensur (= Propaganda) gefallen lassen muß, wie das Publikum im Irak.

Der Informationswert der Fernsehberichterstattung ist dermaßen gering, daß nicht wenige ZuschauerInnen sich bemüßigt fühlen, die geringe Dosis tatsächlicher Aufklärung fast zwanghaft durch pausenlosen Betrieb des Empfängers ausgleichen zu wollen.

Mag sein, daß das Fernsehn einfach nicht das Medium für umfassende Berichterstattung ist, die Komplexität der Angelegenheit zu schwer ist für die flüchtigen Bilder. Mag vielleicht auch sein, daß die Kriegsberichterstattung dem Unterhaltungsinteresse des Publikums nicht entspricht.

Wie auch immer man die Dinge wendet, ein Redakteur, der sich seiner Informationsaufgabe verpflichtet fühlt, müßte ehrlicherweise empfehlen, das TV auszuschalten und zur Zeitungslektüre zu greifen. Denn dort, wo nicht das Bild die Leistung ist, wird dem interessierten Publikum Material in Hülle und Fülle, die von den Zensoren entstellten Nachrichten in erhellende Zusammenhänge zu setzen, wenn auch nicht endgültig, so doch besser zu verstehen. Kann jedoch Denkmaterial auf dem Papier geliefert werden, so bleiben die brandheißen Nachrichten in der Kompetenz der elektronischen Medien. Und dort gilt — so bilanzierte die 'International Herald Tribune‘ die Arbeit des CNN-Reporters Peter Arnett in Baghdad ganz trefflich: „Zwar kann der Pudel nicht aufrecht gehen, immerhin aber kann er Männchen machen.“ Petra Groll