Glück

■ Über Patrice Lecontes „Der Mann der Friseuse“

Wem einmal von einer hellen und weichen, dicken und anmutigen Friseuse der Kopf gewaschen wurde, und wer dabei spürte — oder vielmehr darin aufging —, wie sich ihr Parfum mit dem ihres Körpers und den scharfen oder ätherischen Düften all der Flacons, Öle und Essenzen mischte, die überall herumstehen, während ihre Finger kreisend die Kopfhaut massieren und ihre Schenkel, Brüste oder Oberarme einen beiläufig, ganz in Funktion ihrer professionellen, freundlich-unbeteiligten Bewegungen berühren, der weiß, wovon Der Mann der Friseuse handelt: vom Glück, einer Laszivität, die zu froh und träge ist, um Erfüllung zu fordern, dem Paradies. Kein Wunder, daß Antoine diesem Glück, das ihm schon als Zwölfjährigem geschenkt wurde, sein Leben widmet und daß er es fraglos akzeptiert, als er es endlich, Jahrzehnte später wiederfindet. Das halbe Jahrhundert zwischen dem ersten und dem zweiten Friseursalon — wohl eine Zeit der indifferenten Arbeit und Beziehungen — ist unwesentlich und wird übersprungen.

Es mag sein, daß Patrice Lecontes neuer Film die Tiefen des Glücks nicht so präzise ausleuchtet wie sein letzter Film, der herzzerreißende Monsieur Hire, die Tiefen des Unglücks. Der Mann der Friseuse hat Schwächen und Längen. Anna Galiena als Mathilde spielt, besonders in den erotischen Szenen, nicht immer so subtil und hingegeben, wie es der Projektion Lecontes angemessen wäre, und Jean Rochefort ist vielleicht tatsächlich ein bißchen zu alt für seine Rolle. Der Film dürfte noch leiser, eleganter, selbstverständlicher sein. Jean Vigo oder Jean Renoir oder Max Ophüls hätten ihn vielleicht machen müssen, aber die sind tot, und so mußte Leconte die schwere Aufgabe übernehmen, das Glück auszumalen.

Allein dafür aber, daß Der Mann der Friseuse sich traut, dem Glück keine Widerstände entgegenzustellen, für seine Unverschämtheit, es einfach geschehen und andauern zu lassen, verdient er Dank. Es ist im emphatischen Sinne ein politischer Film, ein Plädoyer für Unverantwortlichkeit, Passivität und die ganz persönliche Perversion, und fürs Rauchen, „denn es hat keinen Sinn, auf einen Genuß zu verzichten“. Thierry Chervel

Der Mann der Friseuse von Patrice Leconte, Kamera: Eduardo Serra, Musik: Michael Nyman, mit Jean Rochefort, Anna Galiena u.a., Frankreich 1990, 80 Minuten.