Zieht es Slowenien heim nach K.u.Kanien?

Sloweniens Führung von kroatischen Blättern des Verrats beschuldigt/ Serbiens Hegemonie jetzt unausweichlich?  ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler

Helle Aufregung herrschte gestern in Jugoslawien, nachdem am Vortag der slowenische Regierungschef Joze Pucnik erklärt hatte, es sei ein „Befehl seiner Wählerschaft“, daß sich die nördlichste Republik von diesem „unglücklichen Staat“ so schnell wie möglich trenne. Auch die Diskussion, wie Jugoslawien in eine lockere Konföderation umgewandelt werden könne, interessiere Slowenien nicht mehr. Pucniks persönlicher Wirtschaftsberater, der Verfassungsrechtler Professor Bajt, ging gestern noch einen Schritt weiter: „Ich kann mir vorstellen, daß Slowenien wirtschaftlich gesehen ein zehntes Bundesland Österreichs wird.“

Weniger der Inhalt als die Form, wie slowenische Politiker ihre Meinung vorbringen, stößt in allen politischen Lagern landesweit auf Mißfallen und Angst. Für die größte serbische Zeitung, die 'Politika‘, ist längst klar, Nordjugoslawien träume von einer Renaissance der k.u.k.- Monarchie zusammen mit Ungarn. Ist diese Stimme nicht allzu ernst zu nehmen, so fällt vor allem die Entrüstung aus Zagreb und Sarajevo ins Gewicht. Dort polemisiert man plötzlich gegen eine „Dolchstoß“- Aktion der Slowenen. Die Zagreber 'Vecernji list‘ sinniert darüber, ob es zwischen dem „abtrünnigen Slowenien“ und dem „kommunistischen Serbien“ eine antikroatische Allianz gäbe. Von Seiten der kroatischen Regierung hört man gar, Serbien wolle Slowenien bewußt aus der Föderation drängen, um somit ein leichtes Spiel mit den dann noch verbleibenden Republiken zu haben. Würde noch Mazedonien abfallen, so wäre das serbische Übergewicht in einem „Restjugoslawien“ gegeben, und damit eine Entmachtung der kroatischen Regierung immer wahrscheinlicher.

Voller Argwohn wurden deshalb gestern die Spitzengespräche zwischen der slowenischen und der mazedonischen Regierung beobachtet. Mazedonien hat kürzlich seine Eigenstaatlichkeit erklärt und aus seinem Langzeitziel, das slawische Mazedonien mit dem griechischen Mazedonien „auf friedliche Weise“ zu vereinen, keinen Hehl gemacht. Schon wird gemunkelt, auch diesem Ausscheren aus der jugoslawischen Vielvölkerföderation würden Armee und Zentralregierung tatenlos zusehen, dafür aber Kroatien, Kosovo und Bosnien zusammenzwingen. Es scheint nun sicher, daß die einst geschlossene „Unabhängigkeitsfront“ zwischen Kroaten und Slowenen von Ljubljana aus aufgekündigt wurde. Nicht zuletzt wegen der kroatischen Watergate-Affäre des Verteidigungsministers Martin Spegelj. Am kommenden Freitag treffen sich alle Politgrößen zusammen mit der Armee zu einer weiteren Verhandlungsrunde am runden Tisch. Dann sollen alle Karten in dem Poker „jugoslawischer Unionsvertrag“ offen auf den Tisch gelegt werden.