The Whiskey Priests

■ Warmumsherzmusik

Was ist das für eine Zeit, in der einem die Seele zähneklapperende Hiobsbotschaften zukommen läßt und man sich nicht mehr waschen kann, weil die Flüssigseife eingefroren ist? Man sich fröstelnd-sehnsüchtig an den vergangenen Abend erinnert, da sich tapfer jeder einzelne durch die erste und zweite Reihe Alkoholika der nächsten Eckkneipe gekämpft und sich eine solide Isoschicht angetrunken hatte.

Dieses tiefe Eis zu durchdringen und Freude und Wärme den Menschen zu bringen, schickt sich nun ein aus Nordostengland stammender Haufen Glutkonzentrat mit dem definitiv missionarischen Titel The Whisky Priests an. Arbeitermützig ausgestattet, stehen sie mit beiden Beinen fest im Durham'schen Elend des Bergarbeiterlebens, Streik, Unruhen, soziale Ungerechtigkeit sind die Themen ihres rauhen English Folk.

Soweit also handelt es sich um eine Art traditionelles Liedgut — wären nicht die sechs Whisky-Priester so wundervoll seltsame Menschen. Laut, schnell, grölig, zwischendurch immer mal wieder bereit, eine gewisse Besinnlichkeit in dieses Gemisch von Folk Trash, Akkordeoncore und Traditional Pop einfließen zu lassen, bereiten sie zumindest live alle schlechten Gewohnheiten der urtümlichen Englischkeit auf.

Was sie seit 1987 auf diversen EPs, einer Single und der LP »Nee Gud Luck« zu präsentieren wußten, hat den gepflegten Charme der Pogues gepaart mit postindustrieller Abbruchstimmung, auf der Bühne geben sie sich, je nach Alkoholpegel und Saalstimmung, dann lieber doch als ausgesprochenen Sauhaufen aus, der das Publikum hemmungslos in das wüste Treiben mit einbezieht. Trotzdem haben sie kein Stück von der professionellen Ohne-Zähne-Im- Maul-Großkotzigkeit und Wir-sind-noch- kaputter-als-Tom-Waits-Kaputtheit der Pogues. Das sind nette Menschen, wirklich nette Menschen, die tun keiner Fliege was, höchstens dem Fabrikbesitzer von nebenan.

Da stehen sie auf der Bühne mit ihren verwegenen Käppis, in ihren Westen und weißen Hemden, dem einen oder anderen sieht man jedes Gramm Guiness fast körperlich an. Sie schwitzen und trinken und spielen und schwitzen und freuen sich über ihren kleinen Frontmann, der so aussieht als wäre er der Steuermann in einem Vierer mit, aber trotzdem auch viel schwitzt, denn das muß sein. Dann freuen sie sich natürlich auch noch über das Publikum und darüber, daß sie in der Lage sind, jeden Club von von hier bis Dublin in ehrliche, volltrunkene Pup- Stimmung zu versetzen. Sie sind ehrliche, reizende, jeder Dorffesttrinktanzstampfpartytradition verbundene Englandvollblutmusiker, allzeitbereit, dem Winter den endgültigen Garaus zu machen. Warmumsherzmusik für Eiseswinternächte. Erika/to

Um 22 Uhr im K.O.B.