Wer hat die „Pamir“ versenkt?

■ Doch nicht der Kapitän? Bremer Autor wirft dem Seeamt schwere Irrtümer vor

Eines der tragischsten Seeunglücke in der Geschichte der Schiffahrt, der Untergang der als Segelschulschiff eingesetzten Viermastbark „Pamir“ im Hurrikan „Carrie“, soll noch einmal öffentlich diskutiert werden. Jedenfalls wenn es nach dem Autor Horst Willner geht, der am Montag in Bremen ein 148 Seiten starkes Buch vorstellte. Titel: „Pamir — Ihr Untergang und die Irrtümer des Seeamts“.

Beim Untergang der Pamir am 21. September 1957 waren 80 Menschen, darunter Kapitän Johannes Diebitsch, im Atlantik umgekommen. Nur sechs Besatzungmitglieder überlebten das Unglück. Willners Buch basiert auf eigenen Recherchen und einem Wortprotokoll, das er über die gesamte Seeamtsverhandlung anfertigen ließ. (Es ist im Verlag E.S. Mittler und Sohn (Herford/ Bonn) erschienen.)

Willner behauptete jetzt vor ehemaligen Kapitänen und Fachleuten: „Der Spruch des Lübecker Seeamts ist falsch.“ Er wirft dem Seeamt unter anderem „Mängel und Unterlassungen bei der Ermittlung des Sachverhalts, Verfahrensfehler und selbstherrliche Abweichung von Gutachten erfahrener Rahsegler-Kapitäne“ vor.

Das Seeamt hat ermittelt daß die „Pamir“ infolge falscher Segelsetzung Schlagseite bekam. Die Schlagseite sei jedoch erst eineinhalb Stunden vor dem Untergang entstanden, wie der überlebende Schiffskoch ausgesagt habe. Dann gab es starken Wassereinbruch, allerdings wegen eines Hurrikans, der sehr untypisch und kaum „richtigzu berücksichtigen“ gewesen sei.

Das Verfahren war nach Darstellung Willners unfair, weil „Schuldvorwürfe gegen Tote, die sich nicht verteidigen konnten, und die Reederei, die sich nicht verteidigen durfte“, erhoben wurden. Ein Gutachter mit Aussagen über die Stabilität des Schiffes sei befangen gewesen, da er zur selben Zeit eine von ihm entwickelte Stabilitätseinrichtung propagiert habe. „Und kein einziger Beisitzer des Seeamts war je Kapitän auf einem Rahsegler gewesen“, sagte Willner.

Bloß warum hat Willner sein Buch erst über drei Jahrzehnte nach dem Seeamtsspruch veröffentlicht? Willner, früher U-Boot-Kommandant, als Rechtsanwalt Experte für Seerecht, ehemaliges Vorstandsmitglied des Norddeutschen Lloyd und Vorsitzender der Seeberufsgenossenschaft, begründete die Verzögerung mit seiner „jahrelang außerordentlich starken beruflichen Beanspruchung“. Und die Angehörigen der verunglückten Seeleute, sagt er, wollte er nach dem Unglück zur Ruhe kommen lassen.

Eine Wiederaufnahme des Seeamtsverfahrens über das Unglück der „Pamir“ ist nach Meinung Willners nicht mehr möglich. „Wenigstens das Buch soll eine Rehabilitation sein.“ Dietrich Wieland (dpa)